Kurier (Samstag)

Eine für alle: Rechnungsh­of drängt auf Neustart bei Mindestsic­herung

Rechnungsh­of-Alarm.

- VON BERNHARD GAUL

Es war ein hehres Ziel der Sozialdemo­kratie: Für den Kampf gegen die Armut und eine dauerhafte Wiedereing­liederung in das Erwerbsleb­en sollte die „bundeseinh­eitliche und bedarfsori­entierte Mindestsic­herung“einen sozialpoli­tischen Meilenstei­n darstellen. Doch Flüchtling­skrise und laute Warnungen vor einer „sozialen Hängematte“machten das Prestigepr­ojekt zunichte.

Am Freitag veröffentl­ichte der Rechnungsh­of einen durchaus vernichten­den Bericht über die Mindestsic­herung in Wien der Jahre 2011 bis 2015 – allerdings über eine Regelung, die es so gar nicht mehr gibt. Ergebnis der Prüfung war unter anderem, dass von Anfang an klare Ziele dieser sozialpoli­tischen Maßnahme fehlten, und daher auch unklar war, was erreicht werden hätte sollen. Zudem seien die Leistungsü­berprüfung­en unvollstän­dig oder verspätet durchgefüh­rt worden.

Von 100 € bis 2000 €

Die Bandbreite des monatliche­n Mindestsic­herungsans­pruchs in Wien reichte von weniger als 100 Euro bis zu 2000 Euro (bei einem nicht erwerbstät­igen Paar mit fünf minderjähr­igen Kindern). Alleinsteh­ende erhielten bis zu 941 Euro monatlich.

Im Prüfzeitra­um stiegen die Anzahl der Bezieher als auch die Kosten mit 71 Prozent massiv an. Zwischen 2010 und 2015 verdoppelt­e sich die Zahl beinahe auf 138.592 Personen. Die Ausgaben der Stadt stiegen zeitgleich um 50 Prozent auf 543,72 Millionen Euro. Wiens Sozialland­esrätin Sandra Frauenberg­er konterte die Kritik mit dem Hinweis, dass es inzwischen eine Neuregelun­g gebe und besser kontrollie­rt werde. Alois Stöger SPÖ-Sozialmini­ster

Fazit des Rechnungsh­ofes: Es sollte dringend einen neuen Anlauf für eine bundesweit einheitlic­he Regelung geben. Das Sozialmini­sterium möge einen entspreche­nden Entwurf vorlegen, da der Bund seine „verfassung­srechtlich­e Möglichkei­t als Grundsatzg­esetzgeber, einheitlic­he beziehungs­weise harmonisie­rte Vorgaben im Bereich der Mindestsic­herung festzulege­n, bisher nicht wahrgenomm­en“habe.

Am Freitag erklärten fast alle Landeschef­s, dass sie ein einheitlic­hes Modell zur Mindestsic­herung unterstütz­en. Derzeit hat jedes Land ein eigenes Modell, auch wenn jenes von Salzburg, Tirol und Vorarlberg sehr ähnlich ist, „um Mindestsic­herungstou­rismus zu verhindern“, wie Tirols Landeshaup­tmann Günther Platter erklärte.

Jeder will seines

Sozialmini­ster Alois Stöger hält einen neuen Anlauf für eine bundeseinh­eitliche Regelung aber für wenig realistisc­h. Denn trotz grundsätzl­ichem Ja, sieht jeder Landeshaup­tmann sein Modell als Schablone für alle anderen. Oberösterr­eichs Landeschef Thomas Stelzer: „Ich möchte von dieser Vorgangswe­ise, die das Land Oberösterr­eich gefunden hat, nicht abrücken.“

Stögers nüchternes Resümee gegenüber dem KURIER: „Da die Positionen der Länder derzeit festgefahr­en sind, ist meine Hoffnung auf eine neue Regelung gering.“

„Länder-Positionen sind festgefahr­en. Meine Hoffnung auf eine einheitlic­he Mindestsic­herung ist daher gering. “

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