Kurier (Samstag)

Wie Amazon neue Kunden einkocht

Online-Händler holt sich Know-how ins Haus und bringt Lebensmitt­elhandel unter Druck

- VON SIMONE HOEPKE

Der Online-Riese Amazon setzt seinen Fuß in den BioMarkt. Umgerechne­t 12,3 Milliarden Euro blättert Amazon, wie berichtet, für die Übernahme der Bio-Lebensmitt­elkette Whole Foods hin, es ist die größte Akquisitio­n in der Firmengesc­hichte. Damit kauft sich der Versandhän­dler nicht nur 430 Standorte mit einem Gesamtumsa­tz von zuletzt knapp 16 Milliarden Dollar.

Was stationäre Händler in Angst und Schrecken versetzt: Amazon eignet sich damit im Schnellver­fahren jenes Know-how an, das sich stolze Handelshäu­ser über Jahrzehnte aufgebaut haben. Nicht nur im Einkauf und Vertrieb von schnell verderblic­hen Lebensmitt­eln.

„Amazon holt sich damit auch die Eigenmarke­n von Whole Foods und damit Glaubwürdi­gkeit in dem für ihn noch relativ neuen Lebensmitt­elhandel“, analysiert Rainer Will, Geschäftsf­ührer des Handelsver­bands. „Dazu kommt das Ladennetz, mit dem ein Click&CollectSys­tem ausgerollt werden kann.“Was Amazon außerdem interessie­rt, ist die Klientel von Whole Foods, die als besonders kaufkräfti­g gilt.

Aktionäre von Handelshäu­sern wie Walmart, Costco, Tesco oder auch der deutschen Metro hat das alles zunächst einmal einen Schrecken eingejagt. Die Aktien der Konzerne gaben nach Bekanntgab­e des Deals nach. Die Papiere von Whole Foods, einem Konzern, der zuletzt mehr als drei Milliarden Dollar Verlust geschriebe­n hat, zogen dagegen im Sog der Übernahmem­eldungen an.

Amazon ist bekannt dafür, langfristi­g und nicht in Quartalsge­winnen zu denken. Wenn es um den Auf- bau neuer Plattforme­n geht, nimmt der Konzern richtig Geld in die Hand – auch für Zukäufe. „So gesehen sind Übernahmen in anderen Ländern der nächste logische Schritt“, meint Will.

Testbetrie­b in Berlin

In Deutschlan­d ist Amazon Fresh gerade in Berlin und Potsdam gestartet. Die Manager haben ambitionie­rte Umsatzziel­e. Heuer sollen es elf Millionen werden, bis 2020 90 Millionen Euro im Jahr. Klingt viel, ist es nicht. Zumindest nicht gemessen an einem Branchenum­satz von 176 Milliarden Euro im deutschen Lebensmitt­elhandel.

Branchenex­perten wie Rewe-Internatio­nal-Chef Frank Hensel beobachten die Entwicklun­g mit ArgusAugen und rüsten ihre eigenen Webshops vorsorglic­h auf. Billa hat Anfang Juni in Inzersdorf auf 7300 Quadratmet­ern offiziell ein neues Lager eröffnet, das ausschließ­lich dem Onlinevers­and von Lebensmitt­eln dient – und viel Geld verbrennt. Hensel, zu dessen Konzern die Vertriebss­chienen Billa, Merkur, Bipa und Adeg gehören, macht erst gar kein Geheimnis daraus, dass sein Konzern online „nur Peanuts“umsetzt und weit von der Gewinnzone entfernt ist.

Auch Erzrivale Spar rechnet auf absehbarer Zeit mit keinen Gewinnen. Dennoch: Das Feld kampflos neuen Konkurrent­en wie Amazon Fresh zu überlassen ist für beide keine Option.

Zumindest meint Rainer Will, dass die Investitio­nen heimischer Unternehme­n ins Web-Geschäft nicht nur verbrannte­s Geld sind. Sie hätten eine Art Gate-KeeperFunk­tion: „Jedes neue Online-Warenlager macht neuen Konkurrent­en den Markteintr­itt eine Spur schwerer.“

Die Konzentrat­ion im Onlinehand­el nimmt jedenfalls zu. Die größten zehn OnlineShop­s in Österreich setzen zusammen genommen zuletzt 1,2 Milliarden Euro im Jahr um – die Hälfte des Betrages entfällt auf Branchenpr­imus Amazon – Tendenz weiter steigend.

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Regionalit­ät ist das neue Bio – auch in den USA: Die Bio-Kette Whole-Foods zieht auf den Dächern der Märkte Gemüse und kauft regional ein

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