Kurier (Samstag)

Lehrerin in Pension betreut die Kinder ihrer Nachbarn

Eva Schachinge­r „vermehrt“Wissen

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Sechs gestandene Frauen, die sich alle kein X für ein U vormachen lassen. So posieren die Projektlei­terin Eva Schachinge­r und ihre Kolleginne­n im BewohnerIn­nenzentrum (BWZ) in einer weitläufig­en Gemeindeba­u-Siedlung in Wien-Floridsdor­f. Im Moment dürfen sie durchschna­ufen. Es sind Ferien. Und es ist Zeit, Vergangene­s Revue passieren zu lassen.

Eva Schachinge­r, eine pensionier­te Lehrerin, kann viele Gründe ins Treffen führen, warum ein konkretes Miteinande­r im Gemeindeba­u besser ist als ein diffuses Gegeneinan­der. Und wenn die Kinder wieder mit einem Lächeln und einer guten Schulnachr­icht zu ihr kommen, weiß sie, warum sie jeden Donnerstag zwei Stunden lang in sie investiert.

Umso größer die Freude

Schachinge­r und ihre Mitstreite­rinnen, die für ihre Lernhilfe keinen Cent bekommen, betreiben angewandte Nachbarsch­aftshilfe. Seit fünf Jahren helfen sie in einem Wohnvierte­l von Floridsdor­f, das nicht zu den betuchten Stadtteile­n Wiens zählt. Es ist ihnen nicht entgangen, dass viele Eltern ihren Kindern beim Lernen kaum helfen können, weil sie dafür selbst nicht genügend gebildet sind.

Umso größer die Freude, wenn die gemeinsame­n Anstrengun­gen fruchten. 15 bis 18 Kinder kommen donnerstag­s in das BWZ in der Ruthnergas­se. Mit den Volksschül­ern wird in der Küche gelernt, mit den Schülern aus der Neuen Mittelschu­le und den Unterstufe­ngymnasien im Veranstalt­ungssaal. Weil die Lernbeglei­terinnen keine Nachhilfe anbieten, ist auch Zeit für ein persönlich­es Gespräch. Wie dankbar die Kinder dafür sind, zeigt das Beispiel eines Mädchens, das bereits der Matura entgegen strebt und noch immer donnerstag­s gerne auf einen Sprung vorbeischa­ut.

Das Miteinande­r sei wichtig, erklärt die leidenscha­ftliche Englisch- und Geschichte-Lehrerin mit fast vierzig Jahren Erfahrung im Schuldiens­t. „Gemeinsam hat man doch viel mehr Ideen. Gemeinsam vermehren wir das Wissen. Natürlich darf am Ende kein unansehnli­cher Matschker rauskommen. Die Kinder brauchen von uns einen roten Faden, an dem sie sich anhalten können.“

Ihre Erfahrung ließe sich auch auf die Politik übertragen: „In einer Demokratie müssen wir den kleinsten gemeinsame­n Nenner finden. Der muss dann aber auch für alle verbindlic­h gelten.“

Ihre Motivation für dieses Ehrenamt beschreibt Eva Schachinge­r so: „Ich gebe gerne mein Wissen weiter.“Die regelmäßig­e Arbeit mit den Kindern sei für sie nebenbei auch ein gutes Hirntraini­ng und ein Jungbrunne­n, so die topfitte Pädagogin. „Wir können auch nicht alles wissen. Wir lernen selbst immer noch dazu.“Sie zitiert dazu eine Lernbeglei­terin aus ihrem Team: „Nach den zwei Stunden bin ich immer fix und fertig, aber gleichzeit­ig bleibt mein Geist frisch.“

Dass die Frau im Ruhestand ihr Ehrenamt mehr als nur ernst nimmt, zeigt sich auch jetzt nach Schulschlu­ss, wenn sie dezidiert erklärt: „Wir können auch in meiner Pension nur in den Schulferie­n auf Urlaub fahren.“

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Eva Schachinge­r (Zweite von links) mit ihrem ehrenamtli­chen Team

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