Eine Funk-Orgie mit den Preziosen von Prince – nur ohne Prince Wenn die zeitgenössische Musik unter die Haut geht
Jazzfestival. Kritik.
The Artist hat den Planeten bereits verlassen. Nur seine Band der 1990er- und 2000er-Jahre läuft und läuft wie eine gut geölte Juke Box. Beim Jazzfestival Montreux gab’s Prince, den im Vorjahr überraschend gestorbenen genialen wie exzentrischen Pop-Megastar, ohne Prince.
The New Power Generation konserviert den Sound: „Sexy MF“steht am Anfang von 90 Minuten Jazz-FunkSoul-Pop-Rock, und alle im ausverkauften Stravinski sind beim Refrain mit dabei: „You sexy motherfucker“.
Neben Kip Blackshire, vocals, erinnert Frontman Andre Anderson stimmlich an Prince, hat nur nicht dessen Kreischer und freakige Falsett-Kiekser drauf, dafür ein paar laszive Hüftschlenker bei „Get it Up“.
„Nothing Compares 2 U“ist natürlich im MemorialConcert-Repertoire. Die 9köpfige Band ohne Bläser arbeitet sich ab am Erbe, veranstaltet eine Funk-Orgie mit nur wenigen Soul-Balladen. ZumTeil ist der Funk verspielt wie am Album „Lovesexy“in den 80ern, dann durchgedreht, oft purer P-Funk.
„Cream“und „Controversy“, eine Reminiszenz an 80er-Breakdance-Rhthmen, fahren wie eine Lokomotive durch den Saal. Ebenso „Let’s Go Crazy“. Das „Gogogo“von der Bühne kriegt prompt ein Echo im Publi- kum. Eingestreut sind auch Gitarrensoli in der Art von Prince. Nach einer Gedenkminute für den mit 43 Jahren an einem Hirntumor verstorbenen langjährigen NPJDrummer John Blackwell Jr. der Superhit „Purple Rain“.
Man könnte fast sagen: Prince lebt. Würde es nicht gar so pathetisch klingen. Judas – zum Synonym geworden für Verrat, Käuflichkeit, Treubruch. Den Facetten der Gestalt spürt Christoph Ehrenfellners Kirchenoper nach, die beim Festival Retz als Auftragskomposition des Landes Niederösterreich uraufgeführt wurde.
Als Librettist gibt er Judas eine außerbiblische Biografie, die mit Parallelen zu Ödipus angereichert ist. Motiv für den Verrat an Jesus ist hier die Hoffnung, diesen dadurch in die Rolle eines politischen Aufrührers gegen Rom zu zwingen.
Theatralische Pranke
Der Komponist Ehrenfellner ist der Tonalität verpflichtet, arbeitet mit zuordenbaren Motiven und beweist eine zuschlagende musikdramatische Pranke. Andreas Schüller (Dirigent) setzt die spannungsgeladene Partitur prachtvoll um und lässt das Orchester Klänge entfalten, die an Mahler oder Richard Strauss erinnern. Für seine Kollegen schreibt der auch als Sänger ausgebildete Komponist ebenso anspruchs- wie effektvolle Gesangslinien.
Die Titelfigur gewinnt durch den mit Intensität singenden und spielenden Gün- ter Haumer an Sympathiewerten – kein eindimensionaler Finsterling, sondern ein unglücklicher Getriebener. Er steht im Spannungsfeld zwischen zwei Frauen, seiner Gattin/Mutter Cyborea – Ursula Langmayr berührt tief – und Claudia Procula, Gattin des Pilatus, die ihn erfolglos begehrt – Sandra Trattnig gestaltet die exponierte Partie bravourös. Doman Križaj imponiert als Jesus.
Klare Strukturen
Intendant Alexander Löffler hat eine klar strukturierte Bühne gestaltet: Die weißen Säulen und Vorhänge kontrastieren mit dem satten Rot der Sphäre der Claudia Procula. Monika Steiners Regie führt nicht nur die Solisten schlüssig, sondern animiert auch den exakten, klangschönen Chor zu packenden Szenen.
Fazit: Ein triumphaler Erfolg für ein kräftiges Lebenszeichen zeitgenössischen Musiktheaters. Weitere Vorstellungen noch bis 23. Juli.