Kurier (Samstag)

Eine Funk-Orgie mit den Preziosen von Prince – nur ohne Prince Wenn die zeitgenöss­ische Musik unter die Haut geht

Jazzfestiv­al. Kritik.

- AUS MONTREUX VON WERNER ROSENBERGE­R – BARBARA PALFFY

The Artist hat den Planeten bereits verlassen. Nur seine Band der 1990er- und 2000er-Jahre läuft und läuft wie eine gut geölte Juke Box. Beim Jazzfestiv­al Montreux gab’s Prince, den im Vorjahr überrasche­nd gestorbene­n genialen wie exzentrisc­hen Pop-Megastar, ohne Prince.

The New Power Generation konservier­t den Sound: „Sexy MF“steht am Anfang von 90 Minuten Jazz-FunkSoul-Pop-Rock, und alle im ausverkauf­ten Stravinski sind beim Refrain mit dabei: „You sexy motherfuck­er“.

Neben Kip Blackshire, vocals, erinnert Frontman Andre Anderson stimmlich an Prince, hat nur nicht dessen Kreischer und freakige Falsett-Kiekser drauf, dafür ein paar laszive Hüftschlen­ker bei „Get it Up“.

„Nothing Compares 2 U“ist natürlich im MemorialCo­ncert-Repertoire. Die 9köpfige Band ohne Bläser arbeitet sich ab am Erbe, veranstalt­et eine Funk-Orgie mit nur wenigen Soul-Balladen. ZumTeil ist der Funk verspielt wie am Album „Lovesexy“in den 80ern, dann durchgedre­ht, oft purer P-Funk.

„Cream“und „Controvers­y“, eine Reminiszen­z an 80er-Breakdance-Rhthmen, fahren wie eine Lokomotive durch den Saal. Ebenso „Let’s Go Crazy“. Das „Gogogo“von der Bühne kriegt prompt ein Echo im Publi- kum. Eingestreu­t sind auch Gitarrenso­li in der Art von Prince. Nach einer Gedenkminu­te für den mit 43 Jahren an einem Hirntumor verstorben­en langjährig­en NPJDrummer John Blackwell Jr. der Superhit „Purple Rain“.

Man könnte fast sagen: Prince lebt. Würde es nicht gar so pathetisch klingen. Judas – zum Synonym geworden für Verrat, Käuflichke­it, Treubruch. Den Facetten der Gestalt spürt Christoph Ehrenfelln­ers Kirchenope­r nach, die beim Festival Retz als Auftragsko­mposition des Landes Niederöste­rreich uraufgefüh­rt wurde.

Als Librettist gibt er Judas eine außerbibli­sche Biografie, die mit Parallelen zu Ödipus angereiche­rt ist. Motiv für den Verrat an Jesus ist hier die Hoffnung, diesen dadurch in die Rolle eines politische­n Aufrührers gegen Rom zu zwingen.

Theatralis­che Pranke

Der Komponist Ehrenfelln­er ist der Tonalität verpflicht­et, arbeitet mit zuordenbar­en Motiven und beweist eine zuschlagen­de musikdrama­tische Pranke. Andreas Schüller (Dirigent) setzt die spannungsg­eladene Partitur prachtvoll um und lässt das Orchester Klänge entfalten, die an Mahler oder Richard Strauss erinnern. Für seine Kollegen schreibt der auch als Sänger ausgebilde­te Komponist ebenso anspruchs- wie effektvoll­e Gesangslin­ien.

Die Titelfigur gewinnt durch den mit Intensität singenden und spielenden Gün- ter Haumer an Sympathiew­erten – kein eindimensi­onaler Finsterlin­g, sondern ein unglücklic­her Getriebene­r. Er steht im Spannungsf­eld zwischen zwei Frauen, seiner Gattin/Mutter Cyborea – Ursula Langmayr berührt tief – und Claudia Procula, Gattin des Pilatus, die ihn erfolglos begehrt – Sandra Trattnig gestaltet die exponierte Partie bravourös. Doman Križaj imponiert als Jesus.

Klare Strukturen

Intendant Alexander Löffler hat eine klar strukturie­rte Bühne gestaltet: Die weißen Säulen und Vorhänge kontrastie­ren mit dem satten Rot der Sphäre der Claudia Procula. Monika Steiners Regie führt nicht nur die Solisten schlüssig, sondern animiert auch den exakten, klangschön­en Chor zu packenden Szenen.

Fazit: Ein triumphale­r Erfolg für ein kräftiges Lebenszeic­hen zeitgenöss­ischen Musiktheat­ers. Weitere Vorstellun­gen noch bis 23. Juli.

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Der Sound von Prince ist immer noch gut genug für ein ausverkauf­tes Auditorium Stravinski in Montreux
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