Kurier (Samstag)

fabelhafte WELT

vea kaiser

- vea.kaiser@kurier.at

o lieb ich meinen Dottore Amore habe – seit wir uns auf eine achtmonati­ge Reise begeben haben, muss ich mir manchmal zusummen: „Ruhig bleiben, er ist halt Süditalien­er.“Dies ist nötig, wenn mein Bedürfnis nach sorgfältig­er Organisati­on auf seine vollkommen­e Resistenz gegen jegliche Organisati­on trifft. Unzählige Male versuchte und versuche ich, ihn zum Flugbuchen zu überreden, doch kaum dass wir sitzen, springt er auf, er könne nicht denken ohne Espresso, und will ich ihn – koffeinges­tärkt – zurück ans Werk holen, flüstert er mir romantisch­e Worte ins Ohr und schon machen wir was anderes. Manchmal, wenn mich die Panik befällt, wie eine so große Reise ohne saubere Vorbereitu­ng gut gehen soll, besinne ich mich darauf, dass seine süditalien­ische Heimatstad­t im 6. Jahrhunder­t v. Chr. von Auswandere­rn aus Samos gegründet wurde. Wahrschein­lich ist mein Herzkönig deren direkter Nachfahre, denn Chaos ist ein griechisch­es Wort. Und die samischen Kolonisten hatten höchstwahr­scheinlich auch keinen Masterplan geschmiede­t, welche Weltwunder der Antike sie auf der Fahrt durch die damals bekannte Welt keinesfall­s verpassen durften. Wahrschein­lich setzten sie sich einfach in ihre Schiffe, fuhren los und alles funktionie­rte wunderbar. Denn das ist nämlich die bittere Realität: Es funktionie­rt auch alles ohne sorgfältig­e Vorplanung. Vielleicht ist dann zwar der perfekte, günstige Non-Stop-Flug nicht mehr verfügbar, aber irgendwie kommt man immer weiter. Zudem wollen wir ja keine Kolonie gründen, sondern bloß zusammen die Welt sehen. Und so schwer es mir fällt, es zuzugeben: Das geht sogar leichter, wenn man nicht von einem Plan abgelenkt ist, auf den man starren muss, sondern rechts und links schaut, worauf man Lust hat. Und wenn man das noch dazu mit demjenigen Menschen tun kann, den man lieb hat, läuft sowieso alles nach Plan.

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