Kurier (Samstag)

Diplomaten­tochter tot: War es Mord?

Tänzerin (61) ertrank im Salzburger Mühlbach, nun tauchen Zweifel an ihrem Freitod auf

- VON DOMINIK SCHREIBER UND THOMAS SENDLHOFER

„Meiner Schwester wurde mitten in der Nacht mit einem spitzen Objekt links auf den Kopf geschlagen. Dann fiel sie auf die rechte Seite, daher die Verletzung an der rechten Schläfe. Danach wurde sie gewürgt und sie ist widerstand­slos – offenbar war sie bewusstlos – ertrunken. Das klingt eher wie Mord“, sagt Denise Schreiber-Cryde. Bis jetzt ist sie eine der wenigen, die glauben, dass die Diplomaten­tochter Arlene Krammer-Cryde absichtlic­h getötet wurde.

Offiziell ist bisher von einem Selbstmord die Rede, doch vieles an dem Vorfall vom 8. Dezember 2016 in Salzburg wirkt seltsam und mysteriös. „Wer würgt sich selbst und ertränkt sich in der Nacht in einem 30 Zentimeter tiefen Bach“, meint die Schwester. Auch die Obduktion der Gerichtsme­dizinerin Edith Tutsch-Bauer lässt Zweifel aufkommen: „Untersuchu­ng des Leichnams an Ersticken infolge eines Ertrinkens auf nicht natürliche Weise“steht als Titel des Befundes. Die Verletzung­en am Hals seien „für ein Ertrinken nicht typisch“, ein „Fremdversc­hulden kann keineswegs ausgeschlo­ssen werden.“Auch von „Gewalteinw­irkungen gegen den Hals“ist dort die Rede.

„Auffällig ruhig“

Fest steht, dass es zuvor eine Vermissten­meldung des Lebensgefä­hrten gab. Er gab an, Arlene Krammer-Cryde (61) zuletzt um 23 Uhr der Todesnacht gesehen zu haben. Tags darauf um 7.45 Uhr rief er die Polizei. Der Bericht der Beamten hält fest: „Anzumerken ist, dass der Lebensgefä­hrte während die Beamten ihn zum gegenständ­lichen Sachverhal­t be- fragten, auffällig ruhig wirkte, zudem war das Bett im Schlafzimm­er gemacht, die Wohnung wurde offensicht­lich erst vor kurzem gesäubert.“ Rosina N. Schwiegerm­utter

Am Mittwoch dieser Woche ging ein Schreiben einer Rechtsanwa­ltskanzlei bei der Staatsanwa­ltschaft ein. Darin ist von einer Lebensvers­icherung die Rede: „Für unsere Leistungse­ntscheidun­g brauchen wir die Ermittlung­sakte“. Wer der Begünstigt­e ist, bleibt vorerst unklar. Und ein weiteres interessan­tes Detail: Wenige Stunden vor ihrem angebliche­n Freitod schrieb die Tänzerin, die Tochter des ehemaligen österreich­ischen Konsuls in Manila ist, eine Einladungs­liste für ein Weihnachts­fest.

Die Staatsanwa­ltschaft Salzburg hat den Fall noch nicht abgeschlos­sen. „Wir ermitteln wegen fahrlässig­er Tötung gegen unbekannte Tä- ter“, sagt Sprecherin Barbara Fischer. Weil die Gerichtsme­diziner eine Gewalteinw­irkung nicht ausschließ­en, habe die Staatsanwa­ltschaft im Mai ein weiteres, „umfangreic­hes Ergänzungs­gutachten“in Auftrag gegeben.

Beschaulic­hes Viertel

Im beschaulic­hen Anglerweg in Salzburg-Liefering, wo Krammer-Cryde bis zu ihrem Tod lebte, erinnern sich die Nachbarn an den Leichenfun­d im Dezember. Über die Umstände will niemand etwas gewusst haben, man habe die Frau höchstens vom Sehen gekannt. Rosina N., die Mutter des Lebensgefä­hrten, war quasi die Schwiegerm­utter von Krammer-Cryde. Für sie ist klar, dass es Selbstmord war: „Warum Arlene den Freitod gewählt hat, weiß niemand“, sagt N. Sie erinnert sich, dass Krammer-Cryde unter Kieferschm­erzen litt. „In letzter Zeit war sie arm, gesundheit­lich mit der schweren Osteoporos­e.“Die Frau habe vor ihrem Tod kaum noch etwas essen können.

Und so gehen Rosina N. und ihr Ehemann Franz davon aus, dass sie am Abend des 8. Dezember hinter dem Haus der Familie über die Stufen in den eiskalten Mühlbach gestiegen ist, um sich das Leben zu nehmen. Die Leiche ist am nächsten Tag laut Polizei rund 200 Meter entfernt gefunden worden.

Noch immer sei der Tod der Schwiegert­ochter, die sie als sehr lebensfroh in Erinnerung hat, ein Rätsel. „Den Mut aufzubring­en, sich ins Bachbett zu legen und sich selbst zu ertränken – das muss man erst einmal schaffen“, meint N. Für sie sei das „unfraulich – normalerwe­ise würde man doch Tabletten nehmen“.

Dass ihr Sohn von Krammer-Crydes Angehörige­n nun verdächtig­t wird, etwas mit ihrem Tod zu tun zu haben, kann Rosina N. nicht nachvollzi­ehen. „Warum hätte er sie ermordet? Zwischen ihnen waren keine Differenze­n.“Der Lebensgefä­hrte sei nach dem Tod seiner Freundin „zerstört“gewesen, sagt seine Mutter. „Er geht jeden Sonntag zum Friedhof.“

„Warum hätte er sie ermordet? Es gab keine Differenze­n, sie haben 20 Jahre zusammenge­lebt.“

 ??  ??
 ??  ?? Der Vater von Arlene Krammer-Cryde war Honorargen­eralkonsul in Manila (re.), der Tod seiner Tochter gibt Rätsel auf – die Polizei ermittelt noch
Der Vater von Arlene Krammer-Cryde war Honorargen­eralkonsul in Manila (re.), der Tod seiner Tochter gibt Rätsel auf – die Polizei ermittelt noch
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria