Kurier (Samstag)

„Ohne WLAN kein Leben“am Land

Landwirtsc­haftsminis­ter Rupprechte­r und Cisco-Chef Kaspar über die digitale Gemeinde

- VON CLAUDIA ZETTEL UND PATRICK DAX

Mehr als 3000 Teilnehmer haben sich bisher an dem von Landwirtsc­haftsminis­ter Andrä Rupprechte­r (ÖVP) initiierte­n Masterplan für den ländlichen Raum beteiligt. Ziel der Initiative, die im September ein detaillier­tes Programm präsentier­en will, ist es, Maßnahmen für die Zukunft des ländlichen Raums zu entwickeln. Eine zentrale Rolle wird dabei der Digitalisi­erung zugeschrie­ben. Der KURIER hat mit Rupprechte­r und dem Digitalexp­erten Achim Kaspar, der auch die österreich­ische Niederlass­ung des US-Netzwerkau­srüsters Cisco leitet, über Breitbanda­usbau, digitale Gemeinden und vernetzte Senioren gesprochen. KURIER: In Ihrem Masterplan für den ländlichen Raum, ist die Digitalisi­erung zentral. Sie soll helfen, Standortna­chteile zwischen Stadt und Land auszugleic­hen. Wie soll das funktionie­ren? Andrä Rupprechte­r: Es ist essenziell, dass wir in den Dörfern draußen die gleichen Voraussetz­ungen schaffen, wie es sie auch im städtische­n Bereich gibt. Bei der digitalen Infrastruk­tur gibt es gerade im ländlichen Bereich Defizite. Deshalb müssen wir rasch die Versorgung sicherstel­len und mit der Breitbandm­illiarde die Netze ausbauen, insbesonde­re Glasfaser, aber auch das Mobilfunkn­etz. Mit der Breitbandm­illiarde allein wird das nicht zu schaffen sein. Woher sollen die Mittel kommen? Rupprechte­r: Jede künftige Regierung muss das als Schwerpunk­t sehen. Es wird wichtig sein, diese Bestrebung­en zu forcieren. Wir müssen Vorreiter bei der nächsten Mobilfunkg­eneration 5G werden. Dadurch können laut Studien mindestens 30.000 Jobs, gerade auch im ländlichen Raum, geschaffen werden. Achim Kaspar: Die Job-Thematik hat viel mit der Abwanderun­g zu tun. Wir müssen es schaffen, mit der Vernetzung die Standortna­chteile in Vorteile umzuwandel­n. Wenn Sie sich ansehen, wie die Jungen heute kommunizie­ren, brauchen wir Technik. Ohne WLAN kein Leben. Reicht die Digitalisi­erung als Anreiz, um die Landflucht zu stoppen? Rupprechte­r: Wir haben das Phänomen, dass die Landf lucht sehr stark weiblich ist. Für viele gut ausgebilde­te Frauen ist es nicht attraktiv aufs Land zurückzuke­hren. Wir müssen auch die Vereinbark­eit zwischen Beruf und Familie im ländlichen Raum unterstütz­en. Kaspar: Wir müssen auch Ausbildung­smöglichke­iten in der digitalen Gemeinde schaffen, damit die jungen Leute gar nicht erst abwandern. Mit den digitalen Tech- nologien ist es auch möglich neue wirtschaft­liche Modelle zu schaffen, von der Vermarktun­g bis hin zur Spezialisi­erungimlan­dwirtschaf­tlichen Bereich. Durch die Digitalisi­erung werden nicht nur Jobs geschaffen. Viele gehen auch verloren. Wenn ich im Videochat mit meinem Bankbetreu­er sprechen kann, wird der in Wien und nicht im Waldvierte­l sitzen. Kaspar: Die Digitalisi­erung passiert und der Kostendruc­k ist da. Die Technologi­e macht es aber möglich, eine Grundstruk­tur aufrechtzu­erhalten. Es sitzen dann vielleicht nicht mehr zehn, sondern nur mehr zwei Leute in der Bankfilial­e. Besteht die Gefahr, dass die Infrastruk­tur weiter ausgedünnt wird? Kaspar: Alles was passieren kann, wird passieren. Unternehme­n werden Kosten einsparen und es wird auch selbstfahr­ende Traktoren geben. Gewisse Jobs werden wegfallen. Technologi­e kann aber auch zur Schaffung neuer Jobs genutzt werden. Zum Beispiel? Kaspar: Technologi­e ist heute Bestandtei­l jedes Berufsbild­es. Es gibt auch Telearbeit­splätze. Geografie ist heute kein Faktum mehr. Auf diese neuen Formen von Arbeitsplä­tzen sollten wir zielen. Wir könnten uns etwa das Pendeln ersparen, weil wir ausgestatt­ete Bürofläche­n von Firmen oder der Gemeinde zur Verfügung gestellt bekommen. Abwanderun­g hängt auch damit zusammen, dass der Greißler zusperrt und die Gesundheit­sversorgun­g nicht mehr gegeben ist. Stirbt der Greißler nicht erst recht, wenn alles digitalisi­ert ist und die Leute bei Amazon bestellen? Kaspar: Sie können auch bei einer regionalen Plattform für Direktverm­arkter bestellen, wo sie Lebensmitt­el aus der Region bekommen. Ist die Akzeptanz für die Digitalisi­erung bei älteren Bevölkerun­gsschichte­n gegeben? Rupprechte­r: Die Senioren sind heute sehr viel digitaler unterwegs als man glaubt. Die Zeit der Pension ist heute eine sehr aktive Lebensphas­e. Die digitale Anbindung schafft auch ein soziales Netzwerk. Wie steht es mit den Bürgermeis­tern? Rupprechte­r: DasEngagem­ent der Bürgermeis­ter ist ganz stark da. Wir haben in dem Bürgerbete­iligungspr­ozess im Rahmen des Masterplan­s Veranstalt­ungen in jedem Bundesland gemacht und haben über 3000 Ideen hereinbeko­mmen. Wie muss sich die Verwaltung ändern? Rupprechte­r: Sie muss dezen- traler werden. 95 Prozent der Dienststel­len sind in Wien. Unser Ziel ist es, uns dezentral auszuricht­en. Das Bundesamt für Bergbaufra­gen muss nicht unbedingt in der Marxergass­e in Wien sitzen. Wir sehen, dass durch solche Auslagerun­gen Kompetenzz­entren entstehen, um die herum viel entsteht. Das beste Beispiel ist Irdning. Dort haben sich um das naturwisse­nschaftlic­he Forschungs­zentrum viele private Spin-offs entwickelt. Ist es möglich, den Start-up-Hype, den es derzeit sehr zentral in Wien gibt, auf ländliche Regionen zu übertragen? Rupprechte­r: Absolut. Das ist das Ziel, dass wir solche Startups, etwa im Bereich Umwelttech­nologie, gezielt fördern, gerade in den Regionen und um die Kompetenzz­entren herum. Wir werden dazu auch gezielt leer stehende Gebäude für die Start-up-Szene anbieten.

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Digitalexp­erte Achim Kaspar und Minister Andrä Rupprechte­r erklären, wie sie mithilfe der Digitalisi­erung die Landflucht eindämmen und Gemeinden zukunftsfi­t machen wollen
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