Noch im sicheren Hafen
Die SPD ist im freien Fall und hofft auf die Wahl – hier hat sie ihre letzten Bastionen
Transvaal, so heißt ein Fußballverein in Suriname, eine ehemalige Provinz in Südafrika – und eine Arbeitersiedlung im nordwestlichsten Eck Deutschlands. Genauer gesagt in Emden, Ostfriesland, wo der VW-Passat vom Band rollt und Otto Waalkes seine Ottifanten erfand. „Der Waalkes ist ein echter Transvaal“, sagt eine Seniorin an der Busstation und zeigt auf eines der roten Backsteinhäuser. Parallel zum Hafen ordnen sie sich aneinander, in Reih und Glied. Werhier lebt, arbeitet entweder bei VWoder in der Werft. Emden ist ein sicherer Hafen für die Sozialdemokraten. Ob es so bleibt, wird sich Sonntag in einer Woche entscheiden, wenn Niedersachsen wählt.
Für die angeschlagene Partei geht es um viel, für deren Vorsitzenden Martin Schulz um alles. Nach drei verlorenen Landtagswahlen in Saarland, Schleswig-Holstein, NordrheinWestfalen sowie der Schlappe bei der Bundestagswahl, die er als Parteichef verantwortet, kann er seinen Vorsitz kaum rechtfertigen. Umgekehrt: ein Sieg in Niedersachsen, der roten Machtbasis, würde ihm etwas Luft verschaffen – bis zum Parteitag im Dezember.
Aber nicht nur Schulz kämpft und rührte zuletzt in Cuxhaven die Werbetrommel. Auch Ministerpräsident Stephan Weil will hier politisch überleben. Emden soll ihm Glück bringen, bereits 2013 startete er in der 50.000-Einwohnerstadt seinen Wahlkampf, Gerhard Schröder, Sigmar Gabriel, Frank-Walter Steinmeier (alle SPD) oder Christian Wulff (CDU) starteten ihre Karrieren i m viertgrößten Bundesland. Seilschaften und enge Verbindungen von Politik und Industrie sind gang und gäbe. „Der nächste Kanzler muss ein Niedersachse sein“, schaltete Unternehmer Carsten Maschmeyer 1998 Anzeigen für seinen Freund Schröder. Ex-BP Wulff kosteten die Freundschaften (Hotel-Upgrades) letztlich das Amt. DEUTSCHLAND diesem Abend öfters. Der Bund sei nicht das Land und hier, in Niedersachsen, habe manbessere Voraussetzungen, erklärt auch die SPDBürgermeisterin aus dem Nachbarort Osteel.
Risse in der roten Fassade
Ein paar Kilometer weiter, zwischen Marktplatz und Uferpromenade, hat die rote Fassade des Rathauses Risse bekommen. Detlef Kruse, ein kleiner Mann mit kehligem Lachen, ist dafür mitverantwortlich und sichtlich stolz: Seine 30-köpfige Wählergemeinschaft „Gemeinsam für Emden“(GfE) holte bei den Kommunalwahlen aus dem Stand heraus 20,1 Prozent. Die SPD erreichte nur 30,8 Prozent. 2011 waren es noch weit über 50. Die Partei ignoriere die Probleme vieler Menschen und sei nicht mehr nah dran, meint Kruse. „Wir wollen was für die Bürger tun“, sagt er und legt Wert darauf, dass die GfE nicht als Protestpartei gesehen werde. Mit der rech- ten AfD habe man nichts am Hut: „Wir sind eine Partei der Mitte und haben realpolitische Ziele“, sagt er. Sie verhinderten etwa mit einer Bürgerinitiative die Schließung des örtlichen Krankenhauses – es hätte Teil eines Zentralklinikums werden sollen. Oder organisierten Investoren für das leer stehende Hertie-Kaufhaus sowie das alte Kino – „die Leute sind froh, wenn die Stadt wieder belebt ist“, sagt der Geschäftsmann. Wen er am Sonntag wählen wird, weiß er noch nicht. Aber egal, meint er. „Hier brauchst keinen roten Oberbürgermeister, Landrat oder sonst was wählen, hier reicht es, wenn du ’nen roten Pfahl in den Boden steckst“, sagt Kruse und lacht.
Im Arbeiterviertel Transvaal hält die Seniorin fest zu ihrer Partei: „Das Rennen macht wieder der Weil.“Von Wahlkampf ist in den Straßen aber noch wenig zu sehen. Plakate muss man suchen, unübersehbar hingegen: zwei küssende Ottifanten-Skulpturen.