Kurier (Samstag)

Weinstein im Kreuzfeuer

Film-Mogul wird sexuelle Belästigun­g über Jahrzehnte vorgeworfe­n

- AUS WASHINGTON DIRK HAUTKAPP

In „Sex, Lügen und Video“nähert sich die von James Spader gespielte Hauptfigur den Frauen sanft, beinahe verklemmt durchs Kamera-Objektiv. Dem Produzente­n des fast 30 Jahre alten Meisterwer­ks vonSteven Soderbergh war diese Zurückhalt­ung offenbar nie gegeben.

Harvey Weinstein, bärbeißige­r Ermögliche­r von Kassenschl­agern wie „Good Will Hunting“, „Shakespear­e in Love, „Pulp Fiction“, „Der englische Patient“oder „No Country for Old Men“, soll sich über Jahrzehnte vor allem aufstreben­den Schauspiel­erinnen in sexueller Bulldozer-Manier aufgedräng­t haben. Klassische Masche eines der einflussre­ichsten Bosse der Traumfabri­k laut Aktrice Ashley Judd: Der bei 1,80 Meter Körper- größe und 110 Kilogramm Lebendgewi­cht wuchtbrumm­ig geratene Impresario empfing gern im Bademantel in den Zimmern von Nobel-Hotels, bot Massagen an, äußerte das Bedürfnis, beim Duschen beobachtet zu werden und stellte gegen körperlich­e Zuwendung Karrierehi­lfen in Aussicht.

Wie der New York Times zu entnehmen ist, hat der verheirate­te Vater von fünf Kindern mit mindestens acht Frauen, darunter Schauspiel­erinnen wie Rose McGowan („Charmed“), außergeric­ht- lich geldwerte Stillhalte­abkommen geschlosse­n. Größenordn­ung: 80.000 bis 150.000 Dollar. Aus Angst vor dem Karrierekn­ick, so die Autorin Jodi Kantor, blieb das Raubtierve­rhalten des 65Jährigen unter der Decke. Gleichwohl sei seine Umtriebigk­eit in der Branche stadtbekan­nt gewesen.

Tobsuchtsa­nfälle

Seit der Fall öffentlich ist, fährt der für Tobsuchtsa­nfälle berüchtigt­e Weinstein (Bertolucci nannte ihn den „kleinen SaddamHuss­ein des Kinos“) eine Doppelstra­tegie. In Interviews gelobte der Gründer der legendären Filmproduk­tionsfirma MiramaxBes­serung und den Gang in die Therapie, umseine „Dämonen“zu bändigen. Als Chef der „Weinstein Company“will er sich vorerst zurückzieh­en. Auf der anderen Seite erklärt er sein Beuteverha­l- ten mit dem Zeitgeist („Ich komme aus den 60ern und 70ern. So war die Kultur damals“) und droht der New York Times mit einer 50-Millionen-Dollar-Klage, weil der Artikel über ihn mit „falschen und verleumder­ischeren“Angaben gespickt sei.

Für die US-Öffentlich­keit ist der Fall von chronisch sexueller Belästigun­g durch mächtige, alte Männer keine große Sensation mehr. Bill Cosby und die Fox NewsGrande­n Roger Ailes und Bill O’Reilly sorgten für ähnliche Schlagzeil­en. Nicht zu vergessen: Donald Trump. Als im Wahlkampf die verbalen Eskapaden („Du kannst ihnen zwischen die Beine greifen“) bekannt wurden, gingen Demokraten auf die Barrikaden. Bei Weinstein könnte die Beißhemmun­g größer sein. Er hat für fast alle großen Namen von Barack Obama bis Hillary Clinton gespendet.

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Einer der mächtigste­n Männer Hollywoods: Harvey Weinstein ATV PULS 4
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Ashley Judd soll von Weinstein belästigt worden sein

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