Kurier (Samstag)

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KURIER-Faktenchec­k. Wie stichhalti­g sind die Vorwürfe und wer profitiert am Ende davon

- VON MICHAEL BACHNER

Das Wahlkampff­inale und die noch anstehende­n TV-Duelle werden äußerst brutal, so viel zeichnet sich ab. Rund eine Woche vor dem Wahlsonnta­g am 15. Oktober tobt eine Schlammsch­lacht zwischen SPÖ und ÖVP, die in der Geschichte bisheriger Wahlkämpfe ihresgleic­hen sucht.

Am Freitag erreichte die an absurden Wendungen reiche Dirty-Campaignin­g-Affäre des Ex-SPÖ-Beraters Tal Silberstei­n und seines wichtigste­n Mitarbeite­rs Peter Puller einen neuen Höhepunkt – oder besser gesagt: Tiefpunkt.

Die ÖVP klagt die SPÖ wegen Verleumdun­g, die SPÖ verlangt den Rücktritt von Sebastian Kurz und zeigt die ÖVP ihrerseits wegen eines Bestechung­sversuchs bei Puller an, mit dem sie aber nie etwa zu tun gehabt haben will.

Der KURIER beantworte­t die zentralen Fragen in dem Tohuwabohu: Wem schadet die Schlammsch­lacht, wer profitiert, was belegen die vermeintli­chen Beweise und wie geht es jetzt weiter in diesem Schmutz-Skandal.

? Was wirft die SPÖ der ÖVP ganz konkret vor?

Kurz-Sprecher Gerald Fleischman­n soll versucht haben, den Dirty-Campaigner Peter Puller mit 100.000 Euro zu bestechen, damit dieser SPÖ-Interna verrät. Widersprüc­hlich ist: SP-Geschäftsf­ührer Matznetter spricht vom Verdacht der „Werksspion­age“und der „Bestechung eines Bedienstet­en oder Beauftragt­en“. Gleichzeit­ig sagt er, die SPÖ wisse nicht, wer die Facebook-Seiten betrieben habe – mit Puller habe man nie zu tun gehabt, so die SPÖ-Version. Hauptsache sei, der Staatsanwa­lt beeile sich, vernehme Fleischman­n und stecke ihn nötigenfal­ls in U-Haft, sagte Matznetter. Die SPÖ versucht also, den Skandal zu einem ÖVP-Skandal zu machen. Ein Indiz dafür sei, so die SPÖ-Version, dass die ÖVP über einen ihrer Funktionär­e die Familie Kern ausspionie­rt habe.

? Was steht in den SMS?

In einer Textnachri­cht von Fleischman­n an Puller ist Rede von einem „Honorar für PR“, das der Silberstei­nIntimus kassieren könnte. Fleischman­n gibt aber in einem von der ÖVP ausgesende­ten Gedächtnis­protokoll seiner Treffen mit Puller an, diesem nur ein Angebot für die Zeit nach seiner Tätigkeit für die Wiener Neos gemacht zu haben – und definitiv nicht 100.000 Euro Bestechung­sgeld angeboten zu haben. Von dieser Summe ist in den Nachrichte­n keine Rede, überhaupt lassen die SMS keine eindeutige­n Schlüsse zu. Letztlich darf auch die Glaubwürdi­gkeit Pullers wohl zu Recht angezweife­lt werden.

? Welche Schlüsse lassen sich aus dem Fleischman­n-Protokoll ziehen?

Die ÖVP muss im Juli längst gewusst haben, dass eine kleine Truppe um Silberstei­n Sebastian Kurz systematis­ch und anonym anpatzen möchte – Puller hatte man wohl im Verdacht, daran beteiligt zu sein. Fleischman­n versuchte also, Puller zu stoppen, beziehungs­weise Infos über die Schmutz-Aktivitäte­n zu bekommen. Daher habe er Puller in zwei Gesprächen überreden wollen, künftig für die ÖVP statt gegen sie zu arbeiten. Puller aber habe stets klar bestritten, für Silberstei­n oder die SPÖ zu arbeiten.

Kurzum: Es steht Aussage gegen Aussage.

? Was macht die ÖVP jetzt? Was sagt Kurz dazu?

Die ÖVP zieht nun vor Gericht: „Das Maß ist voll, wir klagen“, sagte Generalsek­retärin Elisabeth Köstinger. Die ÖVP will sowohl gegen die SPÖ, als auch gegen Puller gerichtlic­h vorgehen. Der Ex- Schwarze soll auf Unterlassu­ng und Widerruf seiner Aussage geklagt werden, zudem wegen Kreditschä­digung und übler Nachrede. Der SPÖ wirft die Volksparte­i vor, auf den schmutzige­n Facebook-Seiten Verhetzung betrieben und gegen das NSVerbotsg­esetz verstoßen zu haben (die Basis dafür ist ein antisemiti­sches Posting auf der Seite „Die Wahrheit über Sebastian Kurz“). Kurz selbst spricht von „skrupellos­en“Aktionen der SPÖ, Silberstei­n sei „Weltmeiste­r im Dirty Campaignin­g“.

? Wie geht’s nun weiter?

Es ist ausgeschlo­ssen, dass noch vor der Nationalra­tswahl am 15. Oktober Ermittlung­sergebniss­e zu den wüsten Anschuldig­ungen der SPÖ vorliegen werden. Die Causa könnte damit auch nach dem Wahltag Thema bleiben: Nebst möglicher Gerichtsve­rfahren wird nun auch ein parlamenta­rischer Untersuchu­ngsausschu­ss immer wahrschein­licher. Teile der Opposition sprachen sich bereits dafür aus, auch SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder zeigte sich am Freitag offen dafür.

? Wer profitiert eigentlich von all dem „Wahnsinn“(© Köstinger)?

Neben der KURIEROGM-Umfrage s e e Se te gibt es dazu noch kaum Daten. Politikwis­senschaftl­er Peter Filzmaier sagt: SPÖ und ÖVP profitiere­n definitiv nicht vom Schmutz-Skandal, „Solidarisi­erungseffe­kte“seien ausgeschlo­ssen. Denkbar seien nun zwei Szenarien: Entweder empören sich Sympathisa­nten von Rot und Schwarz hauptsächl­ich über das jeweilige Gegenüber, dies brächte daher keinen „Umsturz“derzeitige­r Umfragen.

Oder aber es kommt laut Filzmaier zu „einer völligen Erosion nach dieser Affäre“. Dann, sagt Filzmaier zum KURIER, „gäbe es wohl nur einen echten Gewinner: Und zwar die FPÖ“.

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Sieht SMS von Puller und Fleischman­n als Beweis für Bestechung­sversuch: SPÖ-Matznetter
 ??  ?? Eingespiel­tes Team: Sebastian Kurz und seine rechte Hand, Gerald Fleischman­n
Eingespiel­tes Team: Sebastian Kurz und seine rechte Hand, Gerald Fleischman­n
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Top-Experte für „Dirty Campaignin­g“: Tal Silberstei­n
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Silberstei­n-Intimus und PR-Berater Peter Puller

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