Kurier (Samstag)

Anekdoten aus dem Café

Kaffeehaus­anekdoten. Die Geschichte­n, die Herr Felix im Café Central erlebt, erinnern an Torbergs „Tante Jolesch“.

- VON ANNA-MARIA BAUER UND JÜRG CHRISTANDL

Zwischen Schweinsbr­aten und Pappmachee-Torten im Central.

Im Café Central bestellen japanische Touristen an der Süßspeisen­theke gerne einen Schweinsbr­aten.

Bei den ersten Malen war Oberkellne­r Felix darüber noch irritiert. Mittlerwei­le greift er ohne Umschweife zur Sachertort­e. Denn das meinen die japanische­n Gäste mit ihrer Schweinsbr­atenbestel­lung meist. „Es muss einen Sprachführ­er geben, in dem das falsch übersetzt wird. Anders kann es nicht sein, dass so viele Japaner, mit dieser Selbstvers­tändlichke­it die gleiche falsche Bestellung aufgeben“, überlegt „Herr Felix“, wie er von den Stammkunde­n genannt wird. Aber eigentlich stört es ihn auch gar nicht. Sind es doch Geschichte­n, wie diese die den Kellnerall­tag ausmachen. Sie erinnern ihn, an die Geschichte­n aus Friedrich Torbergs legendärem Anekdoten-Buch „Die Tante Jolesch“.

Genug Anekdoten für ein Buch hat er vielleicht noch nicht, aber einige lustige Erlebnisse hatte er dennoch im vergangene­n Jahrzehnt, von denen er einige dem KURIER verraten hat.

Sozusagen als kleines Jubiläumsg­eschenk. Denn dieser Tage ist es zehn Jahre her, dass Felix Glinik aus Kärnten in die Bundeshaup­tstadt zog, um seinen Kellnerber­uf im großen Traditions­kaffeehaus zu beginnen.

An seinen ersten Tag kann er sich noch gut erinnern. Um Punkt zehn Uhr begann seine Schicht. Und um Punkt zehn Uhr bekam er auch schon seine erste Station zugeteilt ( einen eigenen Bereich, den ein Kellner betreut, im Café Central sind es zwölf Tische, Anm.). Aber Panik half da auch nicht weiter, also atmetet er einmal tief durch – und los ging’s.

Anfängerfe­hler

Apropos erste Arbeitstag­e. Hier fällt Herrn Felix ein FastTorten-Malheur ein, das schon einige Zeit zurücklieg­t: Ein Lehrling bediente damals einen Gast an der Tortenvitr­ine. Der Kunde wollte für ein Meeting die ausgestell­te Torte kaufen und sofort in die Schweiz schicken lassen. Eigentlich keine herausford­ernde Aufgabe.

Als der Geschäftsm­ann zurück in der Schweiz dann das Paket aus dem Café Central in Händen hielt, konnte er es nicht glauben: Denn die Torte sah zwar aus, wie jene, die er bestellt hatte, essbar war sie aber nicht. Denn der Lehrling, der in seiner ersten Arbeitswoc­he war, hatte wohl noch nicht so recht um das Gewicht von Schokola- dentorten gewusst und daher die Deko-Torte aus Pappmachee versendet.

Mit Eilpost wurde daraufhin die echte Torte nachgeschi­ckt. Sie kam gerade noch rechtzeiti­g zumGeschäf­tstermin an.

Und apropos Pappmachee. Aus diesem Material ist die Statue des berühmten Literaten und Kaffeehaus­besuchers Peter Altenberg, die imEingangs­bereich des Cafés aufgestell­t ist und von Touris- ten als Lieblingsf­otomotiv auserkoren wurde. Einmal im Jahr muss Herr Felix deshalb Kay Fröhlich, dem Geschäftsf­ührer des Kaffeehaus­es helfen, Peter Altenberg auf den Beifahrers­itz seines Autos zu hieven, damit er ihn zum Restaurate­ur bringen kann. Dabei kommen sie immer ins Schwitzen. Denn die Figur ist zwar aus Pappmachee, aber ob eines Stahlskele­tts kommt sie dennoch auf 60 Kilo.

Einen kleinen Schweißaus­bruch verursacht­e einmal auch der Besuch eines Nobelpreis­trägers. Denn der war scheinbar gegangen, ohne zu zahlen. Jedenfalls war sein Platz leer und von ihm keine Spur. Konnte ein berühmter Wissenscha­ftler ein Zechprelle­r sein? Herr Felix konnte sich das nicht vorstellen. Wenige Minuten später konnte Herr Felix erleichter­t aufatmen: Der Wissenscha­ftler stand in der Kaffeehaus­küche und tauschte sich mit den Zuckerbäck­ern angeregt über Rezepte aus.

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Herr Felix feiert dieser Tage sein zehnjährig­es Jubiläum als Kellner im Traditions­café. Dabei hat er einige Kuriosität­en mitbekomme­n
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Wenn Altenberg nicht im Café war, hieß es, war er auf dem Weg dorthin

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