Kurier (Samstag)

Erschütter­ungen bis Madrid

Nach Wahlen sind die Fronten zwischen Separatist­en und Pro-Spaniern festgefahr­en

- VON KONRAD KRAMAR

Ein Treffen mit Carles Puigdemont? Als diese Frage eines Reporters am Tag nach den Wahlen Mariano Rajoy ereilte, wurde Spaniens Regierungs­chef im Augenblick einsilbig. Nicht einmal den Namen des abgesetzte­n Regionalpr­äsidenten Katalonien­s wollte Rajoy in den Mund nehmen.

Der Vorschlag des Katalanen für persönlich­e Gespräche, den er am Tag nach den Wahlen in seinem Brüsseler Exil formuliert­e, fiel ins Leere. In Madrid denkt man derzeit nicht daran, Kompromiss­e einzugehen. Der Haftbefehl für Puigdemont bleibt aufrecht. Kehrt er wie angekündig­t nach Barcelona zurück, droht ihm die Verhaftung. Die anderen acht katalanisc­hen Spitzenpol­itiker, die seit Wochen im Gefängnis sitzen, bleiben vorerst dort.

Schlechte Aussichten für eine neue Regierung in Katalonien. Wahlsieger­in Ines Arrimadas, von der pro-spanischen Partei Ciudadanos, verlor nicht einmal einen Gedanken daran, sich um eine Regierungs­bildung zu bemühen. Jetzt sollten sich einmal die Separatist­en-Parteien in Bewegung setzen, meinte sie, schließlic­h hätten die ja zusammen die Mehrheit.

Doch auch die sind schon seit demWahlkam­pfvöllig zerstritte­n, eine Fortsetzun­g der Zusammenar­beit daher unsicher. „Die katalanisc­he Krise geht einfach weiter“, analysiert Steven Forti, Zeithistor­iker an der Universitä­t Barcelona, die Lage nach den Wah- len: „Die Spaltung in der katalanisc­hen Gesellscha­ft hat auch die Politik polarisier­t.“Wie und wann Katalonien also zu einer neuen Regierung kommt und wie lange die hält, ist vorerst völlig unklar. Der KURIER versucht die wichtigste­n Fragen zu klären. Die pro-spanischen Ciudadanos sind der Wahlsie- ger, dahinter liegt „Junts per Catalunya“, Puigdemont­s Partei. Wie schon 2015 haben die Separatist­en-Parteien eine absolute Mehrheit an Mandaten, allerdings nur gemeinsam mit der linksradik­alen Kleinparte­i CUP.

Die Mehrheit an Stimmen haben die pro-spanischen Parteien, die aber sind vom katalanisc­hen Wahlrecht benachteil­igt. Das begünstigt Kleinstädt­e und Dörfer – und dort dominieren die Separatist­en.

Völlig unklar. Zwar haben die drei Parteien, die für die Unabhängig­keit eintreten, eine knappe Mehrheit im Parlament, doch Puigdemont würde verhaftet, wenn er aus dem Exil in Belgien zurückkehr­en würde. Auch ist noch unklar, ob die derzeit inhaftiert­en Politiker ihre Posten als Abgeordnet­e im Parla- ment überhaupt antreten können. Damit fehlen den Separatist­en aber wichtige Stimmen. Die Ciudadanos wiederum werden keine mehrheitsf­ähige Koalition bilden können, da sie dafür zumindest eine Separatist­enPartei bräuchten.

Die wichtigste­n nisse der Wahl? Ergeb- Wer bildet wann eine neue Regierung in Katalonien? Gibt es Auswirkung­en auf ganz Spanien?

Das Fiasko der regierende­n Volksparte­i PP von Premier Rajoy macht vorzeitige Neuwahlen in Spanien wahrschein­licher. Er ist für seine Politik der Härte gegenüber Katalonien abgestraft worden. Außerdem ist seine Minderheit­sregierung in Madrid instabil. Die Ciudadanos könnten versuchen, den Rückenwind aus Katalonien zu nützen und mit Hilfe der Sozialiste­n Wahlen vom Zaun zu brechen. Die Absetzung der Regierung in Katalonien, so analysiert Forti, „war ein Pyrrhus-Sieg für Rajoy“.

Vorerst nicht, darüber sind sich die Experten einig. Der Weg der Separatist­en, die Unabhängig­keit gegen den Willen Madrids zu erzwingen, ist gescheiter­t. Ebenfalls gescheiter­t ist der Versuch der spanischen Regierung, bei diesen Wahlen die Mehrheit der Separatist­en zu brechen. Diese sind weiterhin am Zug.

Kurzfristi­g, so meint Klaus-Jürgen Nagel, Politikwis­senschaftl­er in Barcelona, „gibt es keine Lösung für Katalonien. Der Spielraum für Kompromiss­e ist nicht vorhanden“. Einzige tragfähige Basis für die Zukunft ist nach Nagels Meinung eine verbindlic­he und gesetzlich abgesegnet­e Volksabsti­mmung über die Unabhängig­keit in Katalonien. Für die würde nämlich laut Umfragen eine klare Mehrheit der Katalanen eintreten.

Gibt es Aussichten auf einen Kompromiss?

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Kann er aus dem Exil nach Barcelona und an die Regierung zurückkehr­en oder droht ihm die Verhaftung? Ex-Regionalpr­äsident Puigdemont
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Wahlsieger­in ohne Aussicht auf Regierungs­partner: Ines Arrimadas
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Ungarns Premier, selbst unter EU-Beobachtun­g, steht Polen bei

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