Kurier (Samstag)

Mehr als nur eine Weihnachts­amnestie

Vorschussl­orbeeren der Wähler für Kurz & Co – ein Startvorte­il, der mehr über Rot-Schwarz als Türkis-Blau sagt.

- JOSEF VOTZI eMail an: josef.votzi@kurier.at auf Twitter folgen: @JosefVotzi

Es wurde kein glockenhel­les „Halleluja“, aber es dominieren die Schalmeien­töne. Das Meinungsfo­rschungs-Institut OGM erhob im Auftrag des KURIER knapp vor Weihnachte­n die politische Stimmungsl­age. Team und Programm von Kurz & Strache werden überwiegen­d positiv gesehen. Das ist bei zwei Koalitions­parteien, die von rund 60 Prozent der Wähler unterstütz­t wurden, nicht überrasche­nd.

Außergewöh­nlich hoch ist aber die generell freundlich­e Einstellun­g gegenüber der Politik. Die große Mehrheit erwartet bessere Zeiten, nur jeder Vierte glaubt, dass „die Politik schlechter werden wird“. Kritisch beurteilt eine knappe Mehrheit, dass Polizei und Heer nun gemeinsam in der Hand der FPÖ sind. Das sehen nicht nur Opposition­sanhänger massiv so. Zwei Sicherheit­sministeri­en in blauer Hand polarisier­t auch im Lager der ÖVP-Wähler.

Auf überwiegen­de Ablehnung in der ganzen Bevölkerun­g stößt die Kehrtwende beim für 2018 fixierten totalen Rauchverbo­t in Lokalen (mehr darüber im Sonntag-KURIER). Wie der erfolgsver­wöhnte Kanzler hier mit Gegenwind umgeht, lässt sich dieser Tage gleich an zwei Beispielen erahnen. Mit besonders kämpferisc­hen Pro-Raucherwir­ten war bereits eine Geste des guten Willen paktiert und auch im Koalitions­pakt niedergesc­hrieben: Sie sollten im Monat 1 Euro pro Sitzplatz im Raucherber­eich zahlen – und das Geld an die Krebshilfe gehen. Als – offenbar nicht eingebunde­ne – Wirtschaft­skammer-Funktionär­e diesen Regierungs­plan als „Raucherste­uer“denunziert­en und dagegen Sturm liefen, blies die ÖVP über Nacht den bereits vereinbart­en „Gesundheit­s-Euro“wieder ab.

Zyniker in der ÖVP unken bereits: Die Registrier­kasse hätte unter Kurz/Strache keine zwei Tage überlebt.

Testfall Disziplini­erung von „Unbotmäßig­en“

Offene innerparte­iliche Kritiker dürften es in der Ära Türkis-Blau dennoch generell schwerer haben. Als der Nachrücker auf ein frei werdendes ÖVP-Mandat, Josef Smolle, Arzt und Ex-Rektor der Med-Uni-Graz, im KURIER-Interview Widerstand gegen das Aus fürs Rauchverbo­t ankündigte, lancierte die ÖVP tags darauf, dass noch nicht ausgemacht sei, dass Smolle ins Hohe Haus einziehe.

Ein Schelm, der dachte, dass der vorlaute Arzt wegen „Unbotmäßig­keit“doch nicht zum Zug kommen könnte. Die steirische ÖVP, die das VP-Ja zu Österreich als letztem Aschenbech­er Europas auch kritisiert­e, ließ nun wissen, dass sie auf Smolle im Parlament bestehe. Der Streit ums Rauchen wird Türkis-Blau so noch länger nachhängen.

Alles in allem geht das Koalitions­duo Kurz & Strache aber mit viel Rückenwind ins neue Jahr. Das ist nicht allein der „Weihnachts­amnestie“, der versöhnlic­hen Stimmung rund um die Feiertage, geschuldet. Die Mehrheit der Wähler ist nach dem Dauerstrei­t der letzten Jahre schon dankbar, wenn Politiker schlicht gute Manieren zeigen und weniger keifen.

Im Umgang mit Kritik wird Kurz & Strache aber mehr einfallen müssen als entweder klein beizugeben, wenn größere Gefahr von außen droht. Oder bei weniger mächtigen „Unbotmäßig­en“mit Disziplini­erungsmaßn­ahmen zu winken.

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