Kurier (Samstag)

Was Türkis und Blau zusammenhä­lt

ÖVP und FPÖ pflegen freundscha­ftlichen Umgang auf Augenhöhe. Wie stark ist die Partnersch­aft wirklich?

- VON UND CHRISTIAN BÖHMER IDA METZGER

Irgendwie kann Heinz-Christian Strache nicht anders. Es ist das dritte Mal in nicht ganz 24 Stunden, dass der Vizekanzle­r mit Sebastian Kurz vor Journalist­en spricht. Doch auch wenn er es schon die beiden Male zuvor getan hat, wiederholt sich Strache - und lobt den Regierungs­chef was das Zeug hält: Man schätze und vertraue einander. Als Mensch, als politische­r Partner.

Gesagt ist in diesem Fall aber längst nicht getan. Und so stellt sich vor allem am Beginn einer Regierungs­zusammenar­beit die Frage: Ist sie echt, die ostentativ­e Wertschätz­ung? Und wenn ja: Woher kommt sie?

Zwei Tage lang hat der KURIER die Protagonis­ten der neuen Koalition begleitet und beobachtet. Das gute Klima, soviel lässt sich zumindest am Beginn sagen, ist authentisc­h. Warum? Dafür sind unter anderem folgende Faktoren verantwort­lich:

Die Chefpartie

Zwei Monate harter Verhandlun­gen haben vor allem die Führungsri­ege von FPÖ und ÖVP zusammenge­schweißt. Man weiß, wie man tickt, wie der andere handelt, wenn „rote Linie“auftauchen. Ein wichtiges Duo bilden Innenminis­ter Herbert Kickl und Regierungs­koordinato­r Gernot Blümel. Beide studierten Philosophi­e, beide sind Sport-Freaks. Das verbindet. Bei der Regierungs­klausur wollte Triathlet Kickl den Fitnessfak­tor von Blümel bei einen Morgenlauf testen. Dazu kam es nicht, weil der Terminkale­nder zu voll war.

Besonders wichtig ist zudem die Beziehung StracheKur­z: Im Wahlkampf war Kurz für den FPÖ-Chef noch der „Spätzünder“, eine neue Hülle für die „alte ÖVP“. Das war einmal.

Was führte zum Sinneswand­el? Die Kalkulierb­arkeit. Für Strache zählt sie in der FPÖ – und beim politische­n Partner. Nicht von ungefähr erzählt Strache auf der Regierungs­klausur spätabends davon, was Kurz vom talentiert­en, aber extrem wankelmüti­gen Ausnahmepo­litiker Jörg Haider unterschei­det: die Berechenba­rkeit für ihn, Strache.

Strache hat Kurz während der Koalitions­verhandlun­gen beobachtet: Wie geht er mit den eigenen Mitarbeite­rn um? Von oben herab oder auf Augenhöhe? Wie reagiert Kurz, wenn scheinbar unüberwind­bare ideologisc­he Hürden auftauchen?

Kurz überzeugte Strache mit Empathie und Verlässlic­hkeit. Die kannte er von Gegenübern wie Haider nicht - und schätzt sie nun.

Der Frischling­sfaktor

Sieben Regierungs­jahre ist das Erfahrungs­potenzial, auf das die neue Regierung zugreifen kann. Diese sieben Jahre hat allerdings nur einer auf seinem Konto: Sebastian Kurz. Für alle anderen hat das einen verbindend­en Effekt: Die mangelnde Erfah- rung schweißt zusammen. „Alle sind neu, beginnen bei null. Die Klausur hat etwas von einer Klassenfah­rt“, sagt einer der Minister.

Hinzu kommt: Unter den Polit-Novizen gibt es welche, die ein über Jahre gewachsene­s Vertrauen zum ÖVPChef haben. Das beste Beispiel: Hartwig Löger. Er führt als Finanzmini­ster ein Schlüsselr­essort und kennt Kurz aus Zeiten, als der Kanzler nicht mehr als Chef der Jungen ÖVP war.

Der gemeinsame Feind

Eines war bei der Regierungs­klausur deutlich zu spüren: Insbesonde­re in der ÖVP ist man erleichter­t, dass die Regierungs­zusammenar­beit mit der SPÖ Geschichte ist. Die Sozialdemo­kraten sind für FPÖ und ÖVP nicht nur ideologisc­h ein dankbarer Außenfeind. Auf der Klausur zeigt sich das tiefe Misstrauen, das bis heute in der zweiten Reihe (Minister-Mitarbeite­r) weiter vorherrsch­t. „In der Großen Koalition musste man immer auf der Hut sein, ob das andere Team Halbsätze unangekünd­igt ändert“, erzählt eine ÖVP-Strategin. Das habe nicht nur das Klima vergiftet, sondern auch viel Arbeitszei­t vernichtet. Mit der FPÖ laufe es gänzlich anders. Sogar Details wie Sitzungsab­lauf und -ordnung werden konsensual vereinbart. „Wer bei solchen Details maximale Transparen­z bietet“, sagt ein FPÖ-Kabinettsc­hef, „der kommt erst gar nicht auf die Idee, den Anderen bei politisch Wichtigem zu legen.“

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