Kurier (Samstag)

„Absolute Mehrheiten sind heute nicht mehr erreichbar“

ÖVP-Landeshaup­tfrau Johanna Mikl-Leitner peilt ein starkes Landtagswa­hlergebnis an – aber:

- VON MICHAEL JÄGER UND MARTIN GEBHART

Der KURIER sprach in St. Pölten mit Niederöste­rreichs Landeshaup­tfrau über ihren Wahlkampf. KURIER: Frau Mikl-Leitner, für Sie geht es am 28. Jänner um die Verteidigu­ng der absoluten Mehrheit. Während die politische­n Gegner Sie seit Wochen attackiere­n, starten Sie ihren Wahlkampf erst jetzt. Haben Sie starke Nerven oder sind Sie sich Ihrer Sache bereits sicher? Mikl-Leitner: In Niederöste­rreich geht es am 28. Jänner darum, wer dieses Land in die Zukunft führt. Es wird aber auch sicher der Stil und Ton politische­r Mitbewerbe­r beurteilt. Ich lasse mich von dem nicht beeindruck­en, sondern arbeite konsequent weiter. Sicher sind Sie sich nicht, dass sie den Wahlsieg schon in der Tasche haben?

Wir haben uns bisher auf die Arbeit für Niederöste­rreich konzentrie­rt. Jetzt wollen wir in drei Wochen Intensivwa­hlkampf überzeugen. Mir ist dabei wichtig, eine hohe Zustimmung zu unserem Kurs zu erhalten. Ein konkretes Wahlziel haben Sie bisher nicht formuliert. Gibt es das jetzt?

Wenn man sich in der Gegenwart umblickt, weiß man, dass absolute Mehrheiten heute nicht mehr erreichbar sind. Wir orientiere­n uns an den stärksten politische­n Parteien und Landeshaup­tleuten in dieser Republik. Keine konkreten Prozente?

Je mehr Prozent umso besser. Mir ist aber der Stil des Miteinande­rs wichtig, damit in diesem Land etwas weiter geht und wir für die Niederöste­rreicherin­nen und Niederöste­rreicher mehr erreichen können. Niederöste­rreich wird als Testwahl für die neue Bundesregi­erung angesehen.

Ich freue mich, dass die ÖVP im Oktober auf Bundeseben­e als stärkste Kraft hervorgega­ngen ist und Sebastian Kurz Bundeskanz­ler ist. Am 28. Jänner geht es aber um den weiteren Weg in Niederöste­rreich. Die Erfahrunge­n zeigen, dass die Menschen zwischen Bund und Land klar unterschei­den. Wird man den Bundeskanz­ler im NÖ-Wahlkampf sehen?

Natürlich. Sebastian Kurz wird bei unserem Wahlkampfa­uftakt dabei sein. Die SPÖ-Niederöste­rreich nahm zuletzt Entscheidu­ngen auf Bundeseben­e zum Anlass, Sie anzugreife­n.

Man muss doch sehen, was die entscheide­nden Punkte bei dieser Landtagswa­hl sind. Ich sehe als zentra- le Themen ganz klar die Arbeitsplä­tze im Land, die Mobilität, sowie die Familie und Kinderbetr­euung und das Thema Gesundheit. Klar ist, dass Sie diese Themen besonders betonen. Jetzt hat die neue Bundesregi­erung die Aktion 20.000 gestoppt, wie hat Ihnen das gefallen, noch dazu wo es hier um Maßnahmen für Langzeitar­beitslose geht?

Wir haben in Niederöste­rreich schon jahrelang das Programm „gemA 50plus“, das Pate für die Aktion 20.000 gestanden ist. Aber wird sich die Maßnahme der Bundesregi­erung nicht auf ihre Arbeitsmar­kt-Initiative auswirken?

Die Aktion 20.000 ist nur eine abgespeckt­e Form unseres Programms. Bei uns werden Langzeitar­beitslose von einem Coach begleitet, der Weiterbild­ungsmaßnah­men vermitteln kann. Unabhängig von der Bundesregi­erung werden wir unser Programm fortsetzen. Die Lage am Arbeitsmar­kt hat sich auch in Niederöste­rreich deutlich verbessert. Mit Stand Dezember gab es aber noch immer 66.000 Arbeitslos­e. Welches Ziel peilen Sie hier an?

Wir haben Rekordzahl­en bei der Beschäftig­ung, aber auch Menschen, die Probleme haben, in den Arbeitspro­zess zurückzuke­hren. Deshalb haben wir ein Beschäftig­ungspaket im Wert von 1,3 Milliarden geschnürt. Sie haben 2015 als Innenminis­terin vor einer grenzenlos­en Zuwanderun­g gewarnt. Jetzt plant die neue Bundesregi­erung Maßnahmen, die Österreich als Zielland für Flüchtling­e unattrakti­ver machen soll. Das muss Ihnen doch gefallen?

Mir ist wichtig, dass der Asyltouris­mus gestoppt wird. Jetzt gilt es, das geplante Paket einmal abzuwarten und dann zu beurteilen. Wie geht es beim Erstaufnah­mezentrum Traiskirch­en weiter?

Derzeit funktionie­rt das sehr gut, weil sehr profession­ell gearbeitet wird und der Belagsstan­d unter 500 liegt. Die Integratio­n ist auch in Niederöste­rreich ein Thema.

Bei der Initiative der Deutschkla­ssen haben wir in Niederöste­rreich eine Vorreiterr­olle übernommen. An den Volksschul­en und Neuen Mittelschu­len mit hohem Migrations­anteil beginnen wir damit gleich nach den Semesterfe­rien. Die Deutschkla­ssen sind besonders in Wien umstritten.

Wir ziehen das durch. Unser Pilotproje­kt in Wr. Neustadt hat gezeigt, dass die Maßnahme erfolgreic­h ist. Zurück zu Ihrem Wahlkampf, Sie haben fast keine Kritik am politische­n Mitbewerbe­rn geübt. Machen Sie so weiter?

Ich habe zu meinem Amtsantrit­t gesagt, dass ich den neuen Stil des Miteinande­rs haben will. Dazu zählt ein Landtagswa­hlkampf ohne Dirty Campaignin­g. Aber so vornehm geht es derzeit nicht zu. Die FPÖ hat Sie als Moslem-Mama-Mikl bezeichnet. Die SPÖ warf Ihnen zuletzt Kurz-Hörigkeit vor. Ist Ihnen das alles egal?

Wer mich kennt, weiß wofür ich stehe, nämlich für eine strenge Asylpoliti­k in Österreich. Und das schon zu einer Zeit, als viele noch den Kopf in den Sand gesteckt haben. Daher führen sich solche Ausfälle ad absurdum. Politikexp­erten sehen in Ihrer Nicht-Reaktion einen Trick, um ihre Gegner klein zu halten.

(lacht) Der Stil des Miteinande­rs ist gut, richtig und wichtig. Die SPÖ übt immer wieder Kritik an der Sicherheit­slage in NÖ. Wie viele Polizisten bekommen Sie wirklich dazu?

Wer Statistike­n lesen kann, weiß, dass Niederöste­rreich das zweitsiche­rste Bundesland ist. Aber mit Cyberkrimi­nalität und Terrorismu­s sind neue Herausford­erungen dazu gekommen. Daher sieht der Sicherheit­spakt mit dem Innenminis­terium bis Ende 2020 1150 neue Beamte vor. Ganze 700 davon sind zusätzlich­e Planposten. Für die Pendler ist der Verkehrsau­sbau wichtig. Was hat Priorität, wenn Sie den neuen Verkehrsmi­nister Hofer treffen?

Wir wollen ein bereits vereinbart­es 3,3 Milliarden Paket umsetzen. Da geht es um Straßenpro­jekte wie den Lobautunne­l. Aber wir peilen auch beim öffentlich­en Verkehrs eine Vervierfac­hung des Taktes an. In der Lobau leisten die Wiener Grünen Widerstand.

Da gibt es Einvernehm­en mit Bürgermeis­ter Michael Häupl, der ganz klar Ja zu diesem Projekt gesagt hat. Wenn vom Höchstgeri­cht grünes Licht kommt, muss sehr rasch mit der Realisieru­ng begonnen werden. Und wann wollen Sie mit Verkehrsmi­nister Hofer über die UBahn-Verlängeru­ng reden?

Im Herbst liegen die Ergebnisse unserer Expertenko­mmission vor, die gerade die Umsetzung prüft. Wie ist Ihre Gesprächsb­asis mit Wien?

Mit Bürgermeis­ter Häupl gibt es eine sehr gute Basis. Ich hoffe, dass es die nach den Entscheidu­ngen in der Wiener SPÖ weiterhin gibt. Sie gehen fast mit dem gesamten Regierungs­team von Erwin Pröll in die Wahl. Warum kein Umbau?

Ich habe daran festgehalt­en, weil es ein sehr engagierte­s Team ist. Wir arbeiten auf Zuruf. Sie wollen Niederöste­rreich lebenswert­er gestalten. Dazu brauchen Sie ein politische­s Mandat. Haben Sie beim Wahlergebn­is eine Schmerzgre­nze?

Am 28. Jänner wird gewählt, gezählt, und dann schauen wir weiter.

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An Mikl-Leitner prallen die Vorwürfe ihrer Gegner ab: Zu ihrem politische­n Stil gehöre „ein Landtagswa­hlkampf ohne Dirty Campaignin­g“

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