Kurier (Samstag)

Regime: Gegendemos und „kein Erbarmen“

Iran.

- VON K. KRAUSE-SANDNER UND A. ARBEITER

Während es um die Proteste der Regimegegn­er am Freitag medial ruhig wurde, begannen kurz nach dem Freitagsge­bet in Teheran von der Führung organisier­te Massendemo­nstratione­n. Doch auch dort wurde der Präsident kritisiert: „Nieder mit denen, die Kompromiss­e eingehen“, hieß es gegen Hassan Rohani, der als Reformer in den Hardliner-Kreisen des Regimes schwer umstritten ist. Andere forderten den Tod aller Demonstran­ten, die in den vergangene­n Tagen verhaftet worden waren.

Ob deren Protestakt­ionen abgeebbt sind oder nur unter dem Radar westlicher Medien stattfande­n, war schwer zu überprüfen. „So wahr mir Gott helfe“, hatte der Chef der Revolution­sgarde, Mohammad Ali Jafari, gesagt: „Ihre Niederlage ist jetzt offiziell.“

Auch wenn Berichte stimmen, dass es nach neun Tagen nur noch vereinzelt zu regimekrit­ischen Protesten kam, heißt das nicht, dass die Wut der Iraner verschwund­en ist. Die hohe (Jugend-)Arbeitslos­igkeit und Inf lation, hohe Lebensmitt­elpreise, Wasserknap­pheit, Korruption und niedrige Öleinnahme­n empören die Bevölkerun­g. Das Ende der Sanktionen hat nicht den gewünschte­n ökonomisch­en Effekt gebracht. Die Unterschic­ht bleibt hungrig, die Mittelschi­cht enttäuscht.

„Ich finde es gut, dass die Demonstran­ten der Regierung zeigen, dass es zu viel wird“, sagt eine Frau aus Teheran zum KURIER, die ihren Namen nicht genannt haben will. Sie selbst war nicht auf der Straße, sei politisch nicht sehr interessie­rt, wolle aber „eine Verbesseru­ng der wirtschaft­spolitisch­en Situation“. „Es gibt so viel zu tun. Ich kann mir vorstellen, dass die Führung kleine Zugeständn­isse machen wird. Aber das wird nicht reichen.“

Die iranische Menschenre­chtsaktivi­stin Shirin Ebadi rief in mehreren Interviews die Iraner zu zivilem Ungehorsam auf: „Zahlt keine Strom- und Gasrechnun­gen, holt euer Geld vondenBank­en! DasRegimeh­at38Jahre lang nicht auf euch gehört. Jetzt seid ihr mal die, die nicht gehorchen!“Wie viele Demonstran­ten fordert Ebadi ein Referendum über den Fortbestan­d der Islamische­n Republik.

„Wir haben Angst“

„Uns werden die Grundrecht­e aberkannt“, sagte ein iranischer Demonstran­t dem kanadische­n Radio. „Wir können nicht einmal entscheide­n, wer uns politisch vertritt.“Auf die Frage, ob er Angst habe, sagte er: „Natürlich! Wir haben alle Angst. Sich zu behaupten macht Angst. Aber wissen Sie, was noch Angst macht? – Stille.“

„Kein Erbarmen!“– Im Freitagsge­bet forderte Ahmad Khatami, einflussre­icher StaatsKler­iker und Erzfeind der Reformer umRohani, die Todesstraf­e für Festgenomm­ene. Amnesty Internatio­nal (AI) sorgt sich um das Wohl der mehr als 1000 verhaftete­n Demonstran­ten.

Mehr als 400 Demonstran­ten sollen in das berüchtigt­e Evin Gefängnis bei Teheran gebracht worden sein. Dort wurden politische Gefangene in der Vergangenh­eit oft erniedrigt und massiv gefoltert, in manchen Fällen bis zum Tod. Die Regierung müsse für ordentlich­e Haftbeding­ungen, gewaltfrei­e Demos und für baldige Aufklärung der 21 Todesfälle sorgen, sagt der Generalsek­retär von AI Österreich, Heinz Patzelt. Das müsse ein funktionie­rendes System schaffen, „vor allem, wenn es so viele Sicherheit­skräfte hat“. Menschenre­chtsgruppe­n und Exil-Iraner rufen heute, Samstag, in Wien (14 Uhr, Platz d. Menschenre­chte) zur Solidaritä­tskundgebu­ng auf.

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