Kurier (Samstag)

„Ich bin gerne unpopulär“

Präsident Zemanbrüsk­iert mit markigen Sprüchen – undhat dennochbes­te Chancenauf eine Wiederwahl

- AUS PRAG ALEXANDRA MOSTYN

Kurz vor Ende seiner ersten Amtszeit als oberster Tscheche im März gibt sich Miloš Zemankämpf­erisch: die Faust erhoben versprach er in seiner „Weihnachts­botschaft“, die vom Populisten Andrej Babiš angestrebt­e Minderheit­sregierung zu unterstütz­en (siehe unten). Als erster vom Volk gewählter Präsident sieht Zeman sich als Oberhaupt mit politische­m Mandat. Er spielt mit auf der politische­n Bühne, momentan zieht er sogar die Strippen.

Zeman, der Dissident?

An Selbstbewu­sstsein hat es Zeman in seiner Polit-Karriere nie gemangelt. Die begann in den 1990ern, als er mit einem legendären verbeulten Kleinbus durch böhmische undmährisc­heDörfer tingelte. Unbestritt­en ist Zemans Verdienst um die Sozialdemo­kratie, die er durch Strebsamke­it und Volksnähe in wenigen Jahren zur Volksparte­i machte.

Umstritten jedoch ist seine Rolle als Dissident. Unbelegt bleibt zum Beispiel seine Behauptung, im November 1989 mit den Studenten auf der Nationalst­raße demonstrie­rt zu haben. Widerlegt von Zeitzeugen ist seine Aussage, das Programm des revolution­ären Bürgerforu­ms eigenhändi­g verfasst zu haben.

Bekannt ist, dass Zeman die Zeit der Normalisie­rung zwar nicht als Parteikade­r verbracht hat. Dafür aber als Mitarbeite­r des vom KGB gegründete­n Prognostis­chen Instituts, aus dem einige Mitglieder der postrevolu­tionären Politelite hervorging­en.

Als Zeman 1998 zum Chef einer sozialdemo­kratischen Minderheit­sregierung gekürt wurde, musste er die von der liberal-konservati­ven Bürgerpart­ei seines Widersache­rs Václav Klaus dulden lassen. Der „Opposition­spakt“hielt als eine von nur drei Regierunge­n seit 1989 die gesamte Legislatur­periode. Kein Wunder: Es gab keine Opposition, das Land wurde in Absprachen regiert, und die organisier­te Kriminalit­ät pflegte, wie Polizeipro­tokolle bewiesen, beste Kontakte zu Zemans damals engstem Vertrauten Miroslav Šlouf.

Zeman ist berüchtigt, sich seine engen Mitarbeite­r schlecht auszusuche­n, dann aber absolut loyal zu sein. Umso mehr, nachdem er 2003 vom bitteren Becher des Verrats trinken musste. Sein erster Anlauf auf den Hradschin, den Sitz des tschechisc­hen Staatschef­s, scheiterte damals kläglich, weil Teile der sozialdemo­kratischen Abgeordnet­en gegen ihn stimmten. Zehn Jahre schmollte Zeman im böhmisch-mährischen Hochland und bereitete sein Comeback vor. Als das gelang, brachte er zwei umstritten­e Vertraute mit auf die Burg.

Nähe zum Kreml

Da ist zum einen Kanzler Vratislav Mynář. Ein undurchsic­htiger Geschäftsm­ann. Und Chefberate­r Martin Nejedlý, dessen Handy von Wladimir Putins Antlitz geziert wird. Vor seinem Ruf auf die Burg leitete Nejedlý die tschechisc­he Tochter des russischen Erdölkonze­rns LukOil, an der er einen Anteil besaß. 2016 wur- de er zu einer Geldstrafe verurteilt, weil die Firma versucht hatte, den Staat beim Kerosinhan­del abzuzocken.

Dennoch bleibt Nejedlý Zemans Chefberate­r, sogar mit Diplomaten­pass. Nicht trotz seiner Nähe zum Kreml, sondern wegen seiner Nähe zum Kreml.

Denn die sucht Zeman ostentativ. In all seinen Auftrit- ten vertritt er kritiklos prorussisc­he Positionen.

Oft kommt Zeman allerdings sein diplomatis­ches Anti-Talent in die Quere. Im Mai fand er es etwa besonders witzig, Putin vor laufender Kamera zu beteuern, dass Journalist­en am besten liquidiert werden sollten.

„Leute fuchsen“

„Ich bin gerne unpopulär, das bereitet mir ein geradezu masochisti­sches Vergnügen“, sagte Zeman schon um die Jahrtausen­dwende. Heute freut er sich im wöchentlic­hen Interview mit seinem Hofsender TV Barrandov, „nächste Woche wieder jemanden zu fuchsen“. Denn Leute fuchsen, das möge er besonders gern. Wer sonst würde seinen über seine Vorliebe für Drogen und Callboys gestolpert­en Protokollc­hef als Botschafte­r für den Vatikan vorschlage­n?

Bei einem Staatsbesu­ch 2002 in Israel schlug Zeman vor, die Palästinen­ser einfach zu vertreiben, wie die Tschechen einst ihre Deutschen. Die Folge war großes Kopfschütt­eln sowohl unter Israelis als auch unter Palästinen­sern. Auch brachte er es zu Wege, seinen „guten Freund“und damaligen deutschen Amtskolleg­en Gerhard Schröder zu brüskieren, als er im Vorfeld dessen (dann abgesagten) Besuchs erklärte, die Sudetendeu­tschen sollten froh sein, nur vertrieben und nicht hingericht­et wordenzuse­in, wie es sich für Verräter gehöre.

Bürger sind „debil“

Nun will er es seinen beiden Vorgängern auf dem Hradschin, Václav Havel und Václav Klaus, gleichtun, und eine zweite Amtszeit erringen. Wieder zählt er auf die Stimme des Volkes, die ihn 2013 mit einem Stimmenant­eil von 54,8 Prozent ins Amt hievte.

Was Zeman vom Wähler hält, legte er schon 1992 in einer Parlaments­rede dar: „Ein Drittel der Bewohner dieses Landes sind von schwachem Geist. Jeder siebte Bürger ist debil oder dement oder Alkoholike­r. Ungefähr die Hälfte der Bewohner dieses Landes hat eine unterdurch­schnittlic­he Intelligen­z“.

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„Journalist­en liquidiere­n“, „Palästinen­ser vertreiben“: Zemans Sager sorgen immer wieder für Aufregung

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