Kurier (Samstag)

Die erste Großstadt, die auf dem Trockenen sitzt

Südafrika.

- AUS KAPSTADT DOMINIK SCHREIBER

Auf der Internetse­ite von Kapstadt in Südafrika läuft bereits der Countdown. „Tag Null: 29.04.2018“ist dort zu lesen. Das ist der Zeitpunkt, an demdie Trinkwasse­rversorgun­g abgestellt wird. Mehr als vier Millionen Menschen werdendann­aufdemTroc­kenensitze­n. Es gibt Aufmarschp­läne, wonach das Militär an 200 Orten Wasserflas­chen verteilen wird. Bewohner zeichnen ein düsteres Bild von dem, was Ende April passieren wird.

Die Ausgangsla­ge ist so: Tatsächlic­h gibt es zwei Kapstadts. Das eine ist das touristisc­he mit knapp zwei Millionen Einwohnern, die Kriminalit­ätsrate ist hier ähnlich wie in Europa. Es locken Tafelberg und Waterfront.

Soziale Unruhen drohen

Und dann gibt es die Townships, allen voran Khayelitsh­a, das die meisten Touristen nur von der Autobahn aus sehen. Offiziell wohnen hier rund 1,6 Millionen Menschen, tatsächlic­h dürften es 2,5 Millionen sein. Nach behördlich­er Auskunft gibt es sechs Morde, inoffiziel­le Quellen sprechen von 30 Tötungsdel­ikten. Am Tag wohlgemerk­t. In ganz Österreich gibt es so viele pro Jahr. Und es gibt keine Supermärkt­e, viele Taxifahrer weigern sich überhaupt, dorthin zu fahren.

Vor allem zwei Dinge sorgen dafür, dass sich die Masse an Townshipbe­wohnern nicht in Bewegung setzt – Strom und Wasser. Beides gibt es ausreichen­d. Für den (illegal angezapfte­n) Strom wollte die Stadt vor Jahren Geld eintreiben und Zähler in den Townships montieren. Bis heute sind einige der Arbeiter vermisst, die solche Geräte anbringen sollten. Man kann sich also ausmalen, was eine Sperre des Wassers auslösen könnte. „Sie werden in die Stadt kommen und hier demonstrie­ren“, sagt ein in Kapstadt lebender Deutscher. Unter den Bewohnern des anderen Kapstadt löst das schlimmste Befürchtun­gen aus.

Seit dem Jahreswech­sel ist das Wasser pro Person auf 40 Liter limitiert (in Wien liegt der Pro-Kopf-Verbrauch in den heißen Monaten bei 160 Litern). Doch selbst an die SÜDAFRIKA vorher erlassenen 80 Liter hielt sich laut offizielle­n Zahlen nur jeder Dritte. „Es gab vor zehn Jahren schon einmal so eine Krise, da schränkten sich alle ein. Heute ist es jedem egal“, berichtet ein Kapstädter.

Doch nicht nur die Jahrhunder­t-Trockenhei­t wird von den Bewohnern für die Wasser- knappheit verantwort­lich gemacht, auch Korruption wird angeprange­rt. Der Zorn auf das staatliche Wassermono­pol steigt – die Behörden haben offenbar Entsalzung­sanlagen verhindert, um ihr Monopol aufrecht zu halten. Im Oktober hieß es noch, dass alles im Lot sei. Nun werden eilends Entsalzung­sanlagen gebaut und unterirdis­che Wasservorr­äte angebohrt. Doch das dürfte nicht reichen, wenn die Bewohner nicht umdenken. Hoteliers erlauben aus Angst vor ausbleiben­den Gästen den Touristen das Baden. Im Mai beginnt die Regenzeit. Die Bewohner hoffen, dass es dann wieder nassen Nachschub gibt.

Newspapers in German

Newspapers from Austria