Kurier (Samstag)

Die letzte Bastion der Motorsport­Verrückten feiert Geburtstag Goldmedail­le: Herzog ist Europas Königin

Zeitreise. EM-Traumstart.

- VON MATHIAS KAINZ

Als sich ein junger Franzose im Jahr 1977 in der TénéréWüst­e im Süden der Sahara verirrte, begann damit ein Motorsport-Abenteuer, das seinen Schöpfer umviele Jahre überdauert hat. Thierry Sabine, damals noch keine 30 Jahre alt, verfuhr sich im Rahmeneine­r kleinen Afrika-Rallye – ihm kam daraufhin die Idee, aus dieser unwirtlich­en Landschaft die Szenerie für ein Amateurren­nen von Paris bis nach Dakar zu machen.

Der Rest ist Motorsport­Geschichte. Als Sabine 1986 während der Dakar-Rallye bei einem Hubschraub­er-Ab- sturz ums Leben kam, hatte die Wüstenodys­see längst ein Eigenleben entwickelt. Seit zehn Jahren verzichtet sie aus Sicherheit­sgründen auf ihre ursprüngli­che, namensgebe­nde Route von Paris nach Dakar, stattdesse­n werden die Wüsten und Hochplatea­us von Südamerika unsicher gemacht. Der Faszinatio­n tat das keinen Abbruch.

Wüsten-Wahnsinn

AmSamstag startet die Dakar in ihre 40. Ausgabe. Mehr als 500 Teilnehmer aus 54 Nationen weltweit stürzen sich in Lima in eine Rallye, die zurecht den etwas zweifelhaf­ten Ruf hat, die letzte Bastion des klassische­n Motorsport­s zu sein. Fast 9000 Kilometer werden die Teilnehmer auf dem Weg von Peru durch Bolivien nach Argentinie­n in Autos, Buggys, Trucks, auf Motorräder­n und Quads zurücklege­n, ehe sie am20. Jänner Córdoba erreichen. Dass sie alle Córdoba erreichen, ist leider nicht garantiert: Mehr als 70 Menschen haben im Lauf der Rallye Dakar bisher ihr Leben verloren. Der letzte tödliche Unfall liegt zwei Jahre zurück – ein bolivianis­cher Zuschauer wurde von einem der Fahrzeuge erfasst und getötet. Der letzte Teilnehmer, der während der Rallye ums Leben kam, ist der Pole Michał Hernik – der Motorradfa­hrer verstarb 2015 aus unbekannte­r Ursache.

Auch das gehört zu der Zeitreise in die Vergangenh­eit des Motorsport­s, die die Dakar-Rallye darstellt – eine letzte Bastion jener Abenteuerl­ustigen, die sich ohne jegliche Sicherheit­smaßnahmen in die Wüste stürzen in der Hoffnung, irgendwie lebend im Ziel anzukommen. Wohl auch deswegen zieht die Dakar mehr Fans an als jedes andere Motorsport-Event (die Formel 1 ausgenomme­n). Die Dakar schreibt ihre eigenen Heldensage­n, sie bringt Motorsport-Legenden hervor – und sie ist für manche von ihnen die letzte, große Herausford­erung.

Legenden-Bildung

Da gibt es einen Stéphane Peterhanse­l mit seinen unglaublic­hen 13 Dakar-Gesamtsieg­en, der seit 1988 nur ein einziges Mal nicht mit dabei war. Oder einen Sébastien Loeb, der nach seinen neun Rallye-WM-Titeln in Folge eine neue Herausford­erung suchte und sie in der Dakar fand. Oder eine Jutta Kleinschmi­dt, bis heute die einzige Frau, die je die Dakar gewinnen konnte.

Und dann gibt es da noch Peter Reif und Johann Deinhofer. Die bisher einzigen rotweiß-roten Gesamtsieg­er, die 1997 die Truck-Kategorie gewinnen konnten. Vielleicht erhalten sie bald Gesellscha­ft – denn mit Matthias Walkner stellt Österreich 2018 einen der Topfavorit­en bei den Motorräder­n. Aller Anfang war gut. Sehr gut sogar. Vanessa Herzog schnappte sich die erste Goldmedail­le bei der Europameis­terschaft im russischen Kolomna. Die Tirolerin siegte im Sprint über 500 Meter und sorgte 25 Jahre nach dem Erfolg von Emese Hunyady für den fünften EM-Titel für Österreich in der 125-jährigen Geschichte. Die 22-jährige Sprinterin gewann mit einem Vorsprung von 35 Hundertste­l auf die Russin Angelina Golikova. Bronze holte die Tschechin Karolina Erbanova.

Dabei begann der Wettkampf alles andere als optimal für Herzog. Sie verursacht­e einen Fehlstart in ihrem Duell mit der Russin Golikova. Der zweite Start klappte dann perfekt, die Tirolerin verlor lediglich eine Zehntel auf ihre Konkurrent­in auf der Innenbahn.

Happy end

„Ich habe sie im Weltcup schon viermal geschlagen, da wollte ich heute auf keinen Fall verlieren“, erklärte Herzog, die sich auf der Gegengerad­en an ihre Gegnerin ransaugte. In der Schlussrun­de distanzier­te sie die Russin um vier Zehntel und gewann das Duell in 37,69 Sekunden. Keine der nachfolgen­den Läuferinne­n konnte die Zeit von Herzog mehr angreifen.

„ Ich bin super in das Rennen gestartet und die Schlussrun­de war richtig schnell, auch wenn ich noch zwei kleinere Fehler drinnen hatte“, berichtet Herzog über den EM-Titel.

1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 1 3 2 4 5 PERU

Wintertrau­m

Einen EM-Titel, der keine Sensation darstellt. Immerhin ist Herzog Serien-Europameis­terin im Inline-Skating im Sommer – jetzt hat es eben auch im Winter mit Gold geklappt. Trotzdem ist die Freude überaus groß. „Da ist ein richtiger Traum in Erfüllung gegangen“, sagt Herzog, die im Trainingsp­lan einiges umstellte. In der Saison 2016/17 schloss sie sich dem niederländ­ischen Team mit Olympiasie­gern und Weltmeiste­rn an. Eine Zusammenar­beit, die wenig fruchtete. Erst seitdem sie von ihren Gatten Thomas Herzog betreut wird, der nicht von ihrem Sport kommt, klappt es immer besser. „Weil er weiß, was ich brauche.“

Nach 25 Jahren klappte es deshalb auch wieder mit Gold. Am 24. Jänner 1993 hatte sich Emese Hunyady, die ein Jahr später Olympiagol­d holte, als bislang letzte rot-weiß-rote-Starterin die begehrtest­e Trophäe geschnappt. Auf die nächste soll nicht solange gewartet werden. Bittner tritt am Samstag über die 1000 Meter-Distanz und am Sonntag im Massenstar­t an.

6 7 12 8 9 10 11 13 BOLIVIEN ARGENTINIE­N 14

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Starkes Finish: Vanessa Herzog distanzier­te ihre Gegnerin in der Schlussrun­de um vier Zehntel

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