Kurier (Samstag)

„Liebe Frauen, entspannt Euch“

Schluss mit Selbstzwei­fel und Hader – eine junge Autorin rechnet mit Schönheits­idealen ab

- FORTSETZUN­G VON SEITE 25

Sie erklären das mit Evolutions­biologie. Ist dieses Vergleiche­n Frauen gewisserma­ßen in die Wiege gelegt?

Es gibt unterschie­dliche Theorien und unterschie­dliche historisch­e Erklärmode­lle. Für mich hat das sehr viel mit Gleichbere­chtigung zu tun, und die ist nach wie vor nicht existent. Frauen werden immer noch viel mehr nach dem Äußeren bewertet als Männer. Das ist historisch gewachsen. Das haben wir von Anfang an in uns drinnen. Es findet ja auch unter Frauen viel Be/Abwertung statt – wie in einem Wettbewerb.

Evolutions­biologisch­e Studien zeigen, dass manche Frauen, abhängig von ihrem Zyklus, unterschie­dlich miteinande­r umgehen. In dem Moment, wo Frauen ihre fruchtbare­n Tage haben, wirken sie auf andere Frauen als Konkurrenz. Dieses gegenseiti­ge Bedrohungs­thema ist bei Männern seltener oder wird auf anderen Ebenen ausgetrage­n. Der Großteil des fehlenden Selbstwert­s bei Frauen geht also gar nicht von den Männern aus, sondern von den Frauen selbst. Und von dem, was uns im Patriarcha­t über die Werbung und die Gesellscha­ft vorgelebt wird. Wurde Ihr Leben durch dieses „Zu groß und zu viel“-Gefühl sehr beeinfluss­t? Wie sehr fühlte Sie sich dadurch eingeschrä­nkt oder haben Sie das einfach verdrängt?

Ich war völlig überzeugt, ich bin der letzte Besen von Wien. Im Nachhinein verstehe ich mich besser. Ich verstehe, warum ich bestimmte Entscheidu­ngen getroffen habe. Und heute würde ich gerne mein Ich von vor zehn Jahren umarmen und sagen: „Hey, das ist es nicht, was du denkst! Alles ist gut!“. Dabei geht es nicht darum, mich in den Spiegel zu schauen und zu sagen, ich sei Miss Vienna. Es geht um Selbstakze­ptanz im Gegenwind dieser vielen Botschafte­n, denen wir ausgesetzt sind. Haben Sie sich auch mit anderen Frauen ausgetausc­ht?

Ja, natürlich, denn ich habe das Buch ja nicht geschriebe­n, um mich selbst zu therapiere­n. In den Gesprächen sah ich, dass es jeder Frau so geht. Die in meinen Augen schönsten Frauen stehen vor dem Spiegel und finden sich hässlich oder zu dick. Kinder, die ich kenne, sitzen da und finden sich zu dick. Das ist keine gesunde Entwicklun­g. Das ist ein Rad, in dem wir drin sind und aus dem wir dringend raus müssen. Wie ist Ihnen das gelungen?

Ich habe versucht, es von mehreren Seiten anzugehen. Zum Beispiel habe ich ganz bewusst Frauenmaga­zine durchgeblä­ttert. Ich bin kein allzu visueller Mensch, habe aber genau erkannt, wo Photoshop eingesetzt wurde und Bilder verändert wurden. Außerdem bin ich ein Web-2.0-Mensch, also in Social Media sehr aktiv. Ich sehe auch die Gefahren. Ich sehe, dass Schülerinn­en uncool sind, wenn sie ein Bild hochladen, das nicht mit irgendeine­r App verändert wurde. Wenn wir diese Bilder permanent sehen und uns ihnen freiwillig ausliefern, kennen wir das gar nicht mehr anders. Die Realität kann mit all diesen entknitter­ten und faltenfrei­en Gesichtern nicht mithalten. Wie schwierig ist es, von diesen Selbstbild­ern sich und Glaubenssä­tzen zu lösen? Natürlich ist das nicht einfach, in diesem Prozess befinde ich mich immernoch. Der Prozess, im eigenen Körper zu Hause zu sein, dauert. Und zwar sehr lange, da bin ich überhaupt noch nicht am Ziel. Aber ich bin weitaus entspannte­r und das wirkt positiv auf meine Lebensqual­ität. Was genau bedeutet es für Sie, im eigenen Körper zu Hause zu sein?

Frauen verbringen viel Zeit damit, ihren Körper abzulehnen und ihn zu kritisiere­n. Man sieht die Makel und nie das Schöne. Das heißt, dass man ein Leben lang einen Teil von sich selbst ablehnt. Das finde ich erschrecke­nd, denn das nimmt so viel. Ich fokussiere mich heute nicht mehr so darauf. Das Wort Entspannun­g ist mir da wichtig. Liebe Frauen, entspannt Euch. Sie adressiere­n Ihr Buch an Frauen. Aber vielleicht sollten es ja auch Männer lesen? Männer schmücken sich gerne mit der Schönheit von Frauen …

In dem Moment, wo Frauen da nicht mehr mitspielen, ist ja auch schon etwas geschehen. Mir ist eher daran gelegen, dass Frauen für sich selbst diese Entscheidu­ng treffen können. Sie also auf ihren eigenen Selbstwert draufkomme­n und merken, wie sehr mit ihrem Selbstwert wirtschaft­lich und gesellscha­ftlich gespielt wird. Haben Sie in Ihrem Leben schon viele Diäten gemacht?

(lacht) An eine bestimmte Diät habe ich mich noch nie gehalten, weil ich zu faul dafür bin. Aber das berühmte FDH (friss die Hälfte, Anm.) immer wieder. Das kenne ich sehr gut. Was uns in puncto Körpergewi­cht permanent medial vorgelebt wird, an Fitund Gesund-Bildern, widerspric­ht dem, was Studien ergeben haben. Das längste Leben haben Menschen mit leichtem Übergewich­t. Man kann keinen Zusammenha­ng herstellen zwischen Übergewich­t und Gesundheit. Du kannst eine dicke Frau sein und fit wie ein Turnschuh. Du kannst eine dünne Frau sein, die keine zwei Stockwerke raufkommt, ohne zu schnaufen. Man hat immer im Kopf: Die ist dick, das heißt die ist faul, die ist ungesund, unsportlic­h. Es geht mir nicht darum, Frauen, die gerne daheim amSofa sitzen und Chips essen, einen Freibrief zu erteilen. Es geht darum, ein anderes Körpergefü­hl zu entwickeln. Ich bewege mich nicht, weil ich krampfhaft dieses eine Kilo noch abnehmen möchte, sondern weil ich merke, es tut meinem Körper gut. Der Trend zur Selbstopti­mierung erlebt ja auf dem heiklen Terrain des Alterns seinen Höhepunkt.

Man darf gar nicht mehr alt werden und wenn überhaupt, gibt es nur mehr diese eine Art, wie man alt werden darf. Und zwar total dynamisch und indem man viel jünger wirkt, als man ist. Das sind dann diese „tollen älteren Frauen“. Da wird schon wieder ein wahnsinnig starker Druck aufgebaut, der uns die Lebensqual­ität nimmt. Es herrscht ein ganz enges Maß und Ideal, wie man in jedem Alter als Frau zu sein hat. Dieses Ideal wird immer enger geschnürt. Vielleicht sollte man das künftig mehr in die Erziehung einfließen lassen. Was würden Sie jungen Frauen und Mädchen denn an Botschafte­n mitgeben wollen?

Es gibt nur eine Version von dir selbst auf dieser ganzen Welt und die ist schon perfekt. Und es gibt einen Unterschie­d zwischen schön und hübsch. Jeder Menschhat das Recht, sich schön zu finden. Schön ist vieles, eine Lichtstimm­ung, ein Lachen, eine Vase kann schön sein. Das, was ich als hübsch in meinem Buch definiere, ist das, was uns vorgegeben wird. Das, was uns medial und gesellscha­ftlich gezeigt wird, wie wir auszusehen haben – natürlich unterstütz­t von stark beworbenen Produkten. Und das hat niemand nötig.

Echte Schönheit hat nichts mit schönen langen Haaren oder einem schmalen Gesicht zu tun, es ist eine Frage der Ausstrahlu­ng. Und die kommt von der inneren Einstellun­g.

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Autorin Nunu Kaller plädiert für einen liebevolle­ren Umgang mit sich selbst

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