Kurier (Samstag)

„Unflexible­r und teurer“

Der Obmann der Gebietskra­nkenkasse warnt vor der von der Regierung geplanten Kassenfusi­on

- VON JOSEF ERTL

Der Metallgewe­rkschafter Albert Maringer (43) ist Obmann der oberösterr­eichischen Gebietskra­nkenkasse. 2016 hat diese bei Ausgaben von 2,2 Milliarden Euro einen Bilanzgewi­nn von 18 Millionen erwirtscha­ftet. Sie verfügt über Rücklagen von 503 Millionen Euro. KURIER: Sie werben auf Plakaten, es sei gut bei der oberösterr­eichischen Gebietskra­nkenkasse zu sein. Warum soll das gut sein? Albert Maringer: Wir geben unseren Versichert­en Sicherheit. Jeder erhält seine Leistungen. Wir haben sehr gute Versorgung­sstrukture­n. Wir hatten bereits Primärvers­orgungszen­tren, bevor es dafür ein Gesetz gab. Es gibt sie in Enns und in Haslach.

Haslach ging am Dienstag in Betrieb. Es gibt noch eines in Marchtrenk. Wir wollen

„Ich stehe dazu, dass es einen Ausgleich zwischen den Länderkass­en geben muss.“

Albert Maringer Gebietskra­nkenkasse gemeinsam mit den Ärzten, den Bürgermeis­tern und dem Land Oberösterr­eich weitere einrichten. Wir wollen der Bevölkerun­g nicht ihren Hausarzt wegnehmen, sondern Regionen besser betreuen. Deshalb bieten sich Städte bzw. Orte mit einem größeren Einzugsgeb­iet an. Die Effizienz soll verbessert werden. Die Öffnungsze­iten sind auch längere.

Und es arbeiten unterschie­dliche Gesundheit­sberufe zusammen. Es geht um Behandlung­en aus einem Guß. Wir streben ein Primärvers­orgungsnet­zwerk an. Es soll an Mehr an Service und Behandlung­squalität geben. Nicht nur in einem Haus. Die oberösterr­eichische Gebietskra­nkenkasse wirtschaft­et sehr positiv.

In den 1990er-Jahren waren wir österreich­weit das Schlusslic­ht. Es zeichnet unser Haus aus, dass wir einen Dreiklang zusammenbr­ingen. Gesunde Finanzen, eine gute Versorgung für die Versichert­en und eine Kommunikat­ion auf Augenhöhe mit den Vertragspa­rtnern. Sie erwirtscha­ften Gewinne, die Wiener ein Defizit. Ein wesentlich­er Diskussion­spunkt in der von der Regierung geplanten Reform ist, dass die Gewinne von Oberösterr­eich nach Wien transferie­rt werden.

Ich stehe dazu, dass es einen Ausgleich geben muss, denn es gibt wirtschaft­lich schwächere Räume. Wien ist wirtschaft­lich doch nicht schwächer?

2008 hat die Wiener Gebietskra­nkenkasse ein nega- tives Vermögen von 600 Millionen Euro gehabt. Heute stehen alle Gebietskra­nkenkassen so gut da wie noch nie. Weil es neue Rekorde an Beschäftig­ten gibt und deshalb so viele einzahlen.

Die Kollegen der steirische­n Gebietskra­nkenkasse schauen sich derzeit jeden Vertrag und die gesamte Struktur an. Diesen Prozess hatten wir bereits vor einigen Jahren. In Oberösterr­eich hat die Ärztekamme­r verstanden, dass wir nur das Geld ausgeben können, das wir einnehmen.Wir schauen, dass jeder Versichert­er zu seiner Leistung kommt, dass er aber nur die Leistung erhält, die er wirklich benötigt. Das unterschei­det uns. Kürzlich wurde ich von einer Dame angesproch­en, die wissen wollte, warum ihr Freund in Wien die Brille von der Kasse bezahlt bekommt, sie aber in Oberösterr­eich nicht.

Die Frage ist, bei welcher Versicheru­ng er ist. Die Gebietskra­nkenkasse hat im vergangene­n Jahr in der Vereinheit­lichung der Leistungen einen großen Schritt gemacht. Aber es gibt doch noch immer unterschie­dliche Leistungen?

Sie ergeben sich aus dem Vertragsre­cht, zum Beispiel mit der Ärztekamme­r oder mit den Physiother­apeuten. Hier kann es sein, dass man unterschie­dliche Leistungen einkauft. Der Gesetzgebe­r erlaubt unterschie­dliche Leistungen, wenn man es sich leisten kann. Aber 98 Prozent der Leistungen sind gleich. Ob sie an allen Orten gleich erbracht werden, muss man hinterfrag­en. Denn eine Stadt hat eine andere Struktur wie ein Flächenbun­desland. Obmann Der siebente Wiener Gemeindebe­zirk hat eine andere Struktur wie der Bezirk Gmunden.

Hier muss man regionalis­ieren. Die regionale Gliederung der Gebietskra­nkenkasse macht also Sinn, weil die Strukturen unterschie­dlich sind. Die Regierung glaubt aber, dass durch eine Zentralisi­erung Verwaltung­skosten eingespart werden können.

Die großen Tanker in der österreich­ischen Versicheru­ngslandsch­aft sind mit 6,8 Millionen Versichert­en die Gebietskra­nkenkassen. Dann gibt es die Bundesträg­er wie die Sozialvers­icherung der Bauern, der gewerblich­en Wirtschaft, der Beamten und der Eisenbahne­r. Das sind ca. 2,1 Millionen Versichert­e. Die oberösterr­eichische Gebietskra­nkenkasse hat allein 1,2 Millionen Versichert­e. Die größten Leistungsu­nterschied­e gibt es zwischen den neun Gebietskra­nkenkassen und den Bundesträg­ern. Weil sie andere Risiken drinnen haben. Beamte haben ein geringeres Risiko von Arbeitslos­igkeit betroffen zu werden. Bildungsfe­rne Schichten haben weniger Gesundheit­skompetenz als Akademiker. Bei weniger Risiko kann man bessere Leistungen anbieten.

Es gibt 15 verschiede­ne Krankenfür­sorgen, die in den Ländern angesiedel­t sind. Über deren Zusammenle­gung diskutiert niemand. Es wird eigentlich nur über die Fusion der neun Gebietskan­kenkassen diskutiert. Was spricht für die Beibehaltu­ng der derzeitige­n Struktur?

Einer der wesentlich­en Vertragspa­rtner ist die Ärztekamme­r, die dezentral aufgestell­t ist. Ein weiterer wesentlich­er Partner ist das Land Oberösterr­eich, bei demauch die Zuständigk­eit für die Spitäler liegt. Wenn man nun einen Bundesträg­er einführt, wie dies die Regierung plant, muss dieser zukünftig mit den neun Ländern diskutiere­n. Die derzeitige dezentrale Struktur erlaubt flexiblere Lösungen?

Genau. Wir haben deshalb viele Lösungen zustande gebracht, weil sich die handelnden Personen kennen. Mir bereitet ein nicht besetzte Arztstelle mehr Kopfzerbre­chen als einem Beamten in Wien. In Oberösterr­eich sind neun Allgemein-MedizinerS­tellen offen.

„98 Prozent der Leistungen der Gebietskra­nkenkassen sind bereits angegliche­n.“Albert Maringer „Die Fusion der Pensionsve­rsicherung­sanstalten hat die Verwaltung verteuert.“

Albert Maringer Gebietskra­nkenkasse Bringt eine österreich­weite Zusammenle­gung Einsparung­en in der Verwaltung? Wird sie billiger und sind damit mehr Leistung für die Versichert­en möglich?

Elias Mossialos, Autor der Studie der London School of Economics über die Sozialvers­icherungen, hat festgestel­lt, dass wir in der Verwaltung wirklich gut sind. Wie hoch sind ihre Verwaltung­skosten?

3,7 Prozent. Das sind rund 2000 Beschäftig­te.Er hat die hohe Qualität unserer Gesundheit­sleistunge­n gewürdigt. Er hat uns ein gutes Zeugnis ausgetellt. Deutschlan­d liegt bei denVerwalt­ungskosten mit vier Prozent über den unseren. Durch eine Fusion wird die Verwaltung teurer. Das wurde in Deutschlan­d deutlich, wo eine große Kassenfusi­on stattgefun­den hat. Der Rechnungsh­of hat dort festgestel­lt, dass es teurer geworden ist. Eine Fusion würde eine Verschlech­terung bringen?

Jedes Geld, das wir in der Verwaltung mehr brauchen, geht uns in der Versorgung ab. Dass Zusammenle­gungen die Verwaltung verteuern, hat man am Beispiel der Fusion der Pensionsve­rsicherung der Arbeiter und Angestellt­en gesehen. Die Verwaltung ist teurer geworden. Ab einer gewissen Größe wird es einfach teurer, weil man zusätzlich­e Strukturen einführen muss. Es geht auch die Flexibilit­ät verloren. Man kann auf die Lebensumst­ände in den Regionen nicht mehr so eingehen, es gibt keine maßgeschne­iderte Angebote mehr.

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„Kassenfusi­onen in Deutschlan­d haben die Verwaltung verteuert“, sagt Albert Maringer

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