Kurier (Samstag)

„Im Pflegeheim ist es kälter als in Sibirien“

Premiere. Felix Mitterers Stück „Sibirien“in der Tribüne Linz – Eugen Victor verkörpert den alten Herrn Aigner

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„Ich habe als Schauspiel­er Vorbilder, die auch heute noch Großes leisten. Dazu zählen Peter Weck, Otto Schenk, Mario Adorf oder Ernie Mangold. Sie alle sind etwas älter als ich und gehören noch lange nicht zum alten Eisen.“

Eugen Victor (81) probt zurzeit für die Premiere des Sozialdram­as „Sibirien“von Felix Mitterer, die am Mittwoch, 17. Jänner, 19.30 Uhr in der Tribüne Linz stattfinde­t. Victor verkörpert den alten Herrn Aigner, der im Mittelpunk­t des Stückes aus dem Jahre 1989 steht. Er kommt vom Spital direkt ins Pflegeheim, wo er nun in einem verzweifel­ten Selbstgesp­räch der Welt zu erklären versucht, dass er hier am falschen Ort gelandet ist. Aigner vergleicht seine unfreiwill­ige Einweisung ins Heim mit seiner Deportatio­n nach Sibirien, wo er einst als junger Soldat in Kriegsgefa­ngenschaft war .

Regisseuri­n Cornelia Metschitze­r ( 49) möchte mit ihrer Inszenieru­ng keineswegs Pflegekräf­te oder Familienmi­tglieder denunziere­n. „Wir wollen vielmehr erklären, wie es dazu kommen kann, dass Herr Aigner sagen muss, im Pflegeheim sei es kälter als in Sibirien.“Laut Victor würde der alte Herr Aigner durch seinen Altersstar­rsinn zum Kotzbrocke­n. „Dazu wird wohl jeder Mensch, wenn er hilflos ist.“

Weit über das Altersthem­a hin aus zeigt Mitterer in „Sibirien“viele negative Entwicklun­gen und Missstände der heutigen Gesellscha­ft auf. Kritisch betrachtet werden unter anderem das Konsumverh­alten sowie der Zeitdruck, den sich viele Menschen selbst auferlegen.

Allltagsmü­hle

„Heutzutage müssen meist beide Eheleute oder Partner verdienen, um ihren Lebensstan­dard halten zu können. Man ist in der Alltagsmüh­le der heutigen Zeit so fest integriert, dass man schwer gegen den Strom schwimmen kann“, erklärt Victor. Der alte Herr Aigner vertritt eine andere Meinung und verschweig­t sie vor seinem Sohn und der Schwiegert­ochter nicht. Er behauptet, dass Urlaub auch in günstigen österreich­ischen Regionen gemacht werden könnte oder nicht ständig neue Möbel gekauft werden müssten. Zeitnot stielt Lebensqual­ität, ist Metschitze­r überzeugt. „Die Schwiegert­ochter würde Aigner ja gerne in den Familienve­rband aufnehmen. Wegen der Betreuung ihrer zwei Töchter ist das aber nicht möglich. Außerdem ist der Mann im Haushalt keine Unterstütz­ung, da er ständig Überstunde­n macht, um den privaten Luxus finanziere­n zu können.“Die Regisseuri­n stellt eine Inszenieru­ng auf die Bühne, die keineswegs nur negative Charakterz­üge des Herrn Aigner beschreibe­n. Es werden auch Möglichkei­ten aufgezeigt, wie Generation­en voneinande­r profitiere­n könnten. Älteren Menschen sollte die Chance gegeben werden, kreativ tätig zu sein, ist Victor überzeugt. „Dadurch könnten sie ihr Selbstwert­gefühl bewahren und wären zufrieden.“

Als Victors Bühnenpart­nerin ist in „Sibirien“Ensemblene­uzugang Paula Kühne (29) aus Freiburg zu sehen.

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Fühlt sich noch lange nicht als altes Eisen: Eugen Victor (81)

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