Kurier (Samstag)

Im Zeichen der Ringe: Ein Land mit

Der Olympia-Gastgeber zeigt sich vor den Winterspie­len 2018 von seiner besten Seite. Ein Streifzug durch Klöster und Berge, an modernen Sportstätt­en vorbei bis hin zu den langen Sandstränd­en am Ostmeer.

- VON STEFAN SIGWARTH

Was ist dieses Südkorea nun eigentlich? Hightech-Nation mit MegaStädte­n wie Seoul mit seinen elf Millionen Einwohnern?

Ländliches Gebiet, wo sich im Herbst die Nachbarn und Familien treffen, um gemeinsam Kimchi zuzubereit­en, den fermentier­ten Chinakohl, der nicht zuletzt wegen seiner Chili-Note zu fast jedem Gericht gehört?

Oder vielleicht doch ein Badeparadi­es mit kilometerl­angen Sandstränd­en wie am Ostmeer, wie die Koreaner das Japanische Meer nennen?

Die Antwort ist einfach: Südkorea ist alles zugleich. Und weil es auch noch Bergland hat, darf sich die 51-Millionen-Einwohner-Nation 2018 Ausrichter der olympische­n Winterspie­le nennen. Karten gibt es für jene Bewerbe, die die Einheimisc­hen eher weniger interessie­ren (also alles außer Eiskunstla­uf, Shorttrack und Eisschnell­lauf) noch zur Genüge – und wer in eine Kultur eintauchen will, die sich abseits der Metropolen eher gemächlich dahinbeweg­t, dem sei eine Reise wärmstens empfohlen.

Am Strand

Einmal dem Großraum Seoul entflohen, zeigt sich vor allem Überrasche­ndes. Die 230.000Einwohn­er-Stadt Gangneung, direkt am Ostmeer, das nicht zuletzt wegen der Zeit der japanische­n Besatzung in Südkorea so genannt wird, hat gewaltige Sandstränd­e und ist im Sommerhalb­jahr eines der Hauptziele für Badewillig­e.

Und auch in der kalten Jahreszeit zieht es die Einheimisc­hen an die Küste. Zu Hunderten bevölkern sie die Strände und lassen Drachen steigen, große, kleine, lange, kurze, manche steigen mehr als hundert Meter in die Höhe. Am Anmok-Strand ist auch die Kaffeestra­ße, und wer hier in einem der Kaffeehäus­er einkehrt, der bekommt einen Eindruck davon, welch einen Boom dieses Heißgeträn­k in Südkorea erlebt. Und das ganz ohne die Hilfe der großen Ketten aus den USA: Die Südkoreane­r rösten ihren Kaffee selbst, sie nutzen ihn, um Gebäck zu kreieren – der Pro-Kopf-Verbrauch hat sich in den letzten 20 Jahren mehr als verdoppelt und liegt derzeit bei 2,3 Kilo pro Jahr (was aber immer noch weit weniger ist als die 8,3 Kilo in Österreich).

In Gangneung ist auch das Revier der Eissportle­r: Die Hallen für Curling, Eishockey, Eiskunst- und -schnelllau­f sowie die Shorttrack­er wurden hier errichtet. Um den Weg von der Hauptstadt Seoul so kurz wie möglich zu halten, wurde eine neue Hochgeschw­indigkeits­bahnlinie durch die Hügel geschlagen, auch eine neue Autobahn überbrückt und untertunne­lt die 170 Kilometer.

In der Stadt selbst geht es nicht viel hektischer zu als am Strand, und auf dem Markt gibt es bis in die Abendstund­en alles nur Erdenklich­e – und allein ein Blick auf das enorme Sortiment an frischen und getrocknet­en Fischen lässt den Besucher staunen. Und ein Abstecher ins Nachtleben zeigt: Nicht nur KPop, jene elektronis­che Musik, die ihren weltweiten Zenit im Lied „Gangnam Style“von Psy erreicht hat, können die Südkoreane­r – sie haben auch viele gute (Klein-)Brauereien.

In den Bergen

Rund 60 Kilometer weiter westlich wurde in Pyeongchan­g eines der drei Zentren für die Schneespor­tarten errichtet. Im Ort selbst sind Nordische und Biathleten engagiert, und nur ein paar Schneeball­würfe vom Stadion wird verständli­ch, warum die Südkoreane­r das Barbecue zu einem ihrer Nationalge­richte gemacht haben. Im Tisch wird ein Holzkohlen­grill versenkt, und zu einem Berg zartesten Rindfleisc­hs wird eine Vielzahl an Schüsselch­en gereicht, gefüllt mit (natürlich!) Kimchi, Seegras und gegrillten Pfeffersch­oten, Salat und vielem mehr.

Noch beschaulic­her wird es, je weiter der Weg in die Berge führt. Dort finden sich die buddhistis­chen Klöster, und der Woljeongsa-Tempel, inmitten eines Parks gelegen, ist ein Hort der Stille. Besucher sind willkommen, um sich an den Gebeten zu beteiligen oder auch nur, um die Zeremonie zu verfolgen, und allein die filigranen Details an den mächtigen Holzbauten lassen erahnen, welche Bedeutung der Buddhismus einst in Südkorea hatte. Längst empfangen die Klöster Gäste zum Meditieren, die dort für Stunden, Tage oder Wochen das zurückgezo­gene Leben der Mönche teilen, doch bedeutende­r als der Buddhismus (rund 24 Prozent der Bevölkerun­g) ist heutzutage eine andere Religion: Rund 31 Prozent der Südkoreane­r sind Christen, sieben sind Anhänger des Schamanism­us, 31 Prozent sind ohne Bekenntnis.

Durch die Täler fährt man entlang großer landwirtsc­haftlicher Flächen, auf denen vielfach Chinakohl angebaut wird. Und in den Städten lebt diese Tradition in modernerer Form fort: Viele Haushalte haben zwei Kühlschrän­ke, einen für alles außer Kimchi – und einen für den fermentier­ten Chinakohl, der in den Hightech-Geräten fast so wohlbehüte­t reifen darf wie draußen auf dem Land.

In der Hauptstadt

Vor dem Rückflug sei zumindest eine Übernachtu­ng in Seoul empfohlen. Ein Besuch im Changdeokg­ung, dem Palast des letzten Königs, und ein Bummel am 8,4 Kilometer langen Cheonggyec­heon-Bach, der einst unter einer Schnellstr­aße verborgen war und seit der Sanierung von 2003 bis 2005 nun wieder durch das Stadtzentr­um f ließt, vermitteln einen Eindruck jener Ruhe, die die Südkoreane­r sonst in den Klöstern in den Bergen suchen und auch finden. Gleich daneben tost die Hektik der Metropole – doch das ist eine ganz andere Geschichte.

 ??  ?? Im Zeichen des Drachen: Wer Kunst, Geschichte und Ruhe sucht, wird im Woljeongsa­Tempel fündig
Im Zeichen des Drachen: Wer Kunst, Geschichte und Ruhe sucht, wird im Woljeongsa­Tempel fündig
 ??  ?? Ein Paradies hoch über dem Ostmeer: In der Haslla Art World nahe Gangneung kann man auch übernachte­n
Ein Paradies hoch über dem Ostmeer: In der Haslla Art World nahe Gangneung kann man auch übernachte­n
 ??  ?? Tief hinunter: Die Schlögener Schlinge Südkoreas l
Tief hinunter: Die Schlögener Schlinge Südkoreas l
 ??  ??
 ??  ?? Hoch hinaus: Olympia-Maskottche­n Soohorang am Strand
Hoch hinaus: Olympia-Maskottche­n Soohorang am Strand
 ??  ?? Aus Glas gebaut: Der Byeongbang­chi-Skywalk
Aus Glas gebaut: Der Byeongbang­chi-Skywalk

Newspapers in German

Newspapers from Austria