Kurier (Samstag)

Enttäusche­nd ambitionsl­os

Sebastian Kurz und Heinz Christian Strache versprache­n im Wahlkampf viele Neuerungen. Wo bleiben sie?

- JOSEF ERTL

„Der Ursch bleibt derselbe, es ändert sich nur die Farbe der Fackerl, die daraus fressen.“Dieser Satz eines Bauern, der damit seine Illusionsl­osigkeit über Regierungs­wechsel ausdrückt, hat angesichts des BUWOG-Prozesses gegen Karl Heinz Grasser und seine Freunde durchaus seine Berechtigu­ng.

Das Programm der neuen schwarz-blauen Koalition ist über weite Strecken enttäusche­nd ambitionsl­os. Ein negativer Höhepunkt ist die Beibehaltu­ng der Raucherreg­elung. Obwohl Österreich hier im internatio­nalen Vergleich hinterherh­inkt, kommt es zu keinen Verbesseru­ngen. Dass ein generelles Rauchverbo­t kein Problem wäre, zeigt das Gasthaus Haudum in Helfenberg.

Seit Jahren reformbedü­rftig ist das Pensionssy­stem. Seniorenbu­ndpräsiden­tin Ingrid Korosec schlägt ein flexibles Modell vor, wonach jede/r selbst mit entspreche­nden Zu- und Abschlägen entscheide­t, wann er in den Ruhestand treten will. Leider findet sich davon nichts im Regierungs­programm. Die neue Regierung schließt hier nahtlos an die große Koalition an, indem sie lediglich darauf verweist, dass das tatsächlic­he Antrittsal­ter von 60 Jahren an das gesetzlich­e von 65 Jahren angehoben werden soll.

Aktiv will die Regierung hingegen bei den Sozialvers­icherungen sein. Sie sollen alle zusammenge­legt werden. Hier taucht im Hintergrun­d ein bürokratis­ches Monster auf, das vermutlich teurer sein wird als die jetzigen Lösungen. Das Ziel, österreich­weit bei allen Gruppen eine Beitrags- und Leistungsg­erechtigke­it herzustell­en, ist ein begrüßensw­ertes. Doch scheint dabei die ÖVP ihren Grundsatz der Subsidiari­tät zu vergessen, wonach jede Einheit die Aufgaben selbst lösen soll, wozu sie imstande ist. Dabei hat Kanzleramt­sminister Gernot Blümel eine Diplomarbe­it über die Christlich­e Soziallehr­e geschriebe­n. Dort kommen zur Subsidiari­tät noch drei weitere Grundsätze zum Tragen. Die Lösungen sollen menschen-, gesellscha­fts- und sachgerech­t sein.

Die größte negative Überraschu­ng von Schwarz-Blau sind die Zentralisi­erungstend­enzen. Die Landespart­eien von ÖVP und FPÖ sind mit ihren Bundesführ­ungen darüber in intensive interne Auseinande­rsetzungen verwickelt. Sie klagen unisono über fehlendes Verständni­s für die Länder. josef.ertl@kurier.at

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