Die malende Dauer-Extrawurst
Der Künstler, der sich bei aller Anerkennung weiterhin als Revoluzzer versteht, wird am Dienstag 80
„Mensch, Hans-Georg! Wo ist oben, wo ist unten, kannst du nicht einmal so wie alle anderen? Du Dauer-Extrawurst!“
Hans-Georg ist der in der hintersten Reihe. Anders als seine Mitschüler steht er auf dem Kopf, die Füße ragen in die Luft: So wollen es die Autoren des Kinderbuchs „Im Wunderwald mit Georg Baselitz“, das anlässlich des 80. Geburtstags von Georg Baselitz, bürgerlich Hans-Georg Kern, am 23.1. erscheint.
Dass der Durchbruch des Künstlers 1963 mit einem Gemälde einherging, das einen – nicht kopfstehenden – onanierenden Buben zeigte, ist eben nicht so ganz kinderbuchtauglich.
Also wird Hans-Georg zu einem sympathischen, hyperkreativen Querkopf, und damit liegt das Buch nicht ganz falsch: „Extrem renitent“sei er als Kind gewesen, erklärt Baselitz in der Doku „Ein deutscher Maler“, die heute, Samstag auf 3Sat ausgestrahlt wird (21.40 Uhr). Auf die Idee, Motive auf den Kopf zu stellen, kam Baselitz – der Name rührt vom Geburtsort des Künstlers, Deutschbaselitz in Sachsen, her – erst 1969, über 30 Jahre alt war er da bereits.
Gern dagegen
Den Status des Rebellen kultivierte Baselitz auch noch, als seine Bilder schon in Vorstandsetagen, Kanzlerbüros und den Sälen renommierter Museen hingen. War die Umkehr des Motivs eine Geste zur Befreiung der Malerei von ihrer Abbildfunktion, so schlüpfte Kontroversielles durch den Rückwärts-Purzelbaum zurück in die Bildwelt des Künstlers: Die Adler, auf denen der kleine Hans-Georg im Kinderbuch reitet wie Nils Holgersson auf der Gans, wurden in den 1980er-Jahren als Deutschtümelei interpretiert.
Derlei Debatten scheinen heute vergessen, sofern sich Baselitz nicht selbst auf irri- tierende Weise äußert – in der aktuellen ZEIT etwa quittiert er den Aufstieg der AfD in seiner Heimat mit dem Satz „die Sachsen waren ja im- mer in Revolutionen anführend“. Auch die Aussage „Frauen malen nicht so gut“(2013 im Spiegel) hängt ihm bis heute nach.
Dass Baselitz selbst gut malt, steht außer Zweifel, wenngleich sein Werk Reibeflächen bietet: Dass sich der Schmäh mit den umgedrehten Motiven abnutzte oder dass er sich selbst zu wiederholen begann, als er Motive früherer Tage wieder aufgriff, warf man ihm oft vor.
Rastlos im Atelier
Es lässt sich aber nicht leugnen, dass Baselitz’ Werk – von dem mit dickem Farbauftrag gemalten Frühwerk bis zum fast kalligrafischen Stil späterer Tage – eine enorme Entwicklung durchlaufen hat. Auch seine Variationen – etwa schwarze „Negative“existierender Bilder – sind einer andauernden Neugierde über Wesen und Wirkung der Malerei geschuldet.
Eine Schau der FondationBeyeler in Riehen/CHlässt nunalle Phasen Revue passieren, das nahe Kunstmuseum Basel zeigt Zeichnungen (beide: 21. 1.–29. 4.). Die Pinakothek der Moderne München zeigt Grafiken (23. 1.–18. 2.). In Österreich ist Baselitz der Albertina verbunden, die 127 Werke hält – einige sind bis 18. 2. im Sektor „Albertina Contemporary“ausgestellt. Auch in der Sammlung Essl ist Baselitz stark vertreten, für Ausstellungen ist also gesorgt. Auch, weil es am Ende des Kinderbuchs heißt: „Genau jetzt malt er wieder ein neues, einzigartiges Bild“.