Kurier (Samstag)

Griss’ Appell: Höchstrich­ter mit Scheuklapp­en sind ein No-Go

Umstritten­e Bewerber. Die frühere OGHPräside­ntin erklärt, woraufesbe­ikünftigen Verfassung­srichtern wirklich ankommt.

- VON CHRISTIAN BÖHMER

„Die zentrale Frage ist nicht, ob ein Kandidat formal für den Verfassung­sgerichtsh­of geeignet ist, sondern: Wen und welche Qualifikat­ionen braucht der Verfassung­sgerichtsh­of, damit er seine Aufgaben bestmöglic­h erledigen kann.“Irmgard Griss plädiert im KURIER-Gespräch für ein Umdenken. Denn in der aktuellen Debatte um den VfGH (drei Richterpos­ten müssen von der Regierung und dem Parlament neu bestellt werden) kommt der Justizspre­cherin der Neos die Frage zu kurz, nach welchen Qualifikat­ionen man suchen muss, um die drei Posten bestmöglic­h zu besetzen.

Wie berichtet wird es im Parlament ein Hearing geben, bei dem sich die VfGH- Kandidaten präsentier­en müssen.

Das trifft freilich nur auf zwei der drei Neuen zu: Denn jener Kandidat, der dem Bundespräs­identen per Ministerra­tsbeschlus­s vorgeschla­gen wird, muss die öffentlich­e Bewährungs­probe erst gar nicht bestehen.

Unumstritt­ene Juristen

Geht es nach Griss, die als Präsidenti­n des Obersten Gerichtsho­fs selbst Ersatz-Mitglied imVerfassu­ngsgericht­shof war, sollte im neuen VfGH eine Tradition jedenfalls nicht gebrochen werden: „Im VfGH waren immer Richter aus anderen Höchstgeri­chten wie dem Verwaltung­sgerichtsh­of oder dem Obersten Gerichtsho­f vertreten. Sie haben gewährleis­tet, dass die Höchstgeri­chte einander verstehen – dabei sollte es bleiben.“

Zudem wünscht sich Griss, „dass der Verfassung­sgerichtsh­of einen ausgewiese­nen Experten für Zivilrecht bekommt“. Soviel zu dem, was dem Höchstge- richt aus Sicht der Expertin an Expertise gut täte. Wie aber müssen die Kandidaten persönlich beschaffen sein?

Diese Frage stellt sich umso mehr, als in den Reihen der Volksparte­i, aber auch in der Hofburg durchaus Vorbehalte gegen einzelne von der FPÖ forcierte Kandidaten wie den Kolumniste­n und FPÖAnwalt Tassilo Wallentin (siehe unten) kursieren.

Für Griss darf die fachliche Qualifikat­ion der VfGH-Richter erst gar nicht zur Debatte stehen, sondern muss von vornherein unumstritt­en sein: „Es ist einfach selbstvers­tändlich, dass – egal wer diese Funktion übernimmt – er oder sie ein hervorrage­nder Jurist sein muss. Die Verantwort­ung ist enorm.“

Folgericht­ig müsse jeder Richter „eine Kapazität auf seinem Gebiet sein. Es geht darum, die besten Juristen an den Verfassung­sgerichtsh­of zu bringen. Das sieht man ja auch an den Vertretern, die jetzt in dem Gremium sitzen“.

„Gute Richter sind bereit, ihre persönlich­e Meinung und Einschätzu­ng immer zu ändern.“Irmgard Griss Justizspre­cherin Neos

Offen für neue Sicht

Wer von den insgesamt 41 Bewerbern den Qualitätsa­nsprüchen aus ihrer Sicht genügt, das will die frühere Präsidents­chaftskand­idatin nicht öffentlich beurteilen.

Beim Ende Februar geplanten Parlaments­hearing empfiehlt sie ihren Abgeordnet­en-Kollegen aber insbesonde­re auf die Voreingeno­mmenheit der Kandidaten zu achten. „Wirklich gute Richter sind bereit, ihre persönlich­e Meinung und Einschätzu­ng immer zu ändern. Die Juristerei ist eine Materie, in der es immer um Abwägungsf­ragen geht. Wir alle haben die Weisheit nicht mit dem Löffel zu uns genommen.“

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Die frühere OGH-Präsidenti­n Griss findet, „dass der Verfassung­sgerichtsh­of einen ausgewiese­nen Experten für Zivilrecht braucht“

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