War es das mit den Aktien? Nicht unbedingt!
Gastkommentar Börsen. Entwicklung hängt von Anleihen ab
Einige Kommentatoren sprachen diese Woche von einem Börsen-Crash. Nun, das ist wohl maßlos übertrieben, denn der amerikanische Aktienmarkt hatte an einem Tag 4,5 Prozent verloren. Drei Tage später waren es 4 Prozent. Eine Hinrichtung für Aktionäre sieht anders aus, da gab es in der Vergangenheit schon genug Beispiele mit Einbrüchen von weit mehr als 10 Prozent. Aber ein Schuss vor den Bug der Übermütigkeit war es allemal. Und aus heiterem Himmel kam der Blitz auch nicht.
Starker Jänner
Was war geschehen? Einem übernatürlich starken Jänner mit stetig neuen Höchstkursen an der Wall Street war die Ernüchterung gefolgt. Mit dem Arbeitsmarktreport für Jänner wurde allen Wirtschaftsinteressierten klar: Die USA haben einen leer gefegten Arbeitsmarkt mit Vollbeschäftigung und daher steigender Lohnentwicklung. Da Janet Yellen bei ihrer letzten Pressekonferenz am 31. Jänner die Möglichkeit höhere Preisanstiege angesprochen hat, haben die meisten Anleger daraus geschlossen, dass die US-Notenbank heuer vier statt drei Zinsanhebungen im heurigen Jahr durchführen wird.
Diese Befürchtung hatte sich am Anleihenmarkt schon seit Dezember bemerkbar gemacht. Dort stiegen die Renditen innerhalb weniger Wochen von 2,3 auf knapp unter 3 Prozent bei 10-jährigen US-Staatsanleihen. Dies schlug sich in markanten Kursverlusten bei Anleihen langer Laufzeiten von über 6 Prozentpunkten nieder. Bei bloß 2 Prozent jährlichem Zinseinkommen fürwahr ein kleiner Renten-Crash.
Am Aktienmarkt wurde diese Entwicklung am Rentenmarkt lange Zeit nicht wahrgenommen, weil der Beschluss der US-Steuerreform im Dezember für wahre Freudensprünge unter den Aktienanlegern führte. Doch das Anstreifen der 3-Prozent-Marke bei den US-Staatsanleihen hat die Aufmerksamkeit plötzlich auf die Zins- und Inflationsgefahren gelegt.
Spielverderber
In Europa hat die Korrekturphase bei Aktien schon einige Tage zuvor eingesetzt. Doch hier war der starke Euro Spielverderber. Im Hintergrund war aber auch der Rentenmarkt dafür zuständig. Auch bei uns zogen die langfristigen Renditen kräftig nach oben. Denn auch in der Eurozone könnte der Preisauftrieb 2018 die Erwartungen der Anleger und der EZB übertreffen. Die starken Lohnsteigerungen bei den deutschen Metallern von 4,3 Prozent sind ein Indiz, dass die Lohnzurückhaltung vorbei ist. Spätestens 2019 liest sich das auch in höheren Preisen. Aber die EZB betont, nicht vor dem 1. Halbjahr 2019 ihre Zinsen ändern zu wollen.
Der Schlüssel zur weiteren Aktienentwicklung liegt am Rentenmarkt. Bleibt der Renditeanstieg moderat und die Konjunktur läuft auf Hochtouren bis ins nächste Jahr, dann haben Aktienanleger noch ertragreiche Monate vor sich. Das sollten sich die Aktien-scheuen Österreicher gründlich überlegen. Die Schwankungsanfälligkeit hat jedoch zugenommen. Eine Einbahnstraße nach oben, wie seit dem Brexit-Votum, sind Aktien seit der jüngsten Korrektur nicht mehr. Peter Brezinschek ist Leiter von Raiffeisen Research, der Volkswirtschafts- und Finanzmarktabteilung der Raiffeisen Bankengruppe in Österreich und CEE. Er kommentiert seit Jahrzehnten das Geschehen in Wirtschaft und Kapitalmärkten.