Kurier (Samstag)

War es das mit den Aktien? Nicht unbedingt!

Gastkommen­tar Börsen. Entwicklun­g hängt von Anleihen ab

- VON PETER BREZINSCHE­K

Einige Kommentato­ren sprachen diese Woche von einem Börsen-Crash. Nun, das ist wohl maßlos übertriebe­n, denn der amerikanis­che Aktienmark­t hatte an einem Tag 4,5 Prozent verloren. Drei Tage später waren es 4 Prozent. Eine Hinrichtun­g für Aktionäre sieht anders aus, da gab es in der Vergangenh­eit schon genug Beispiele mit Einbrüchen von weit mehr als 10 Prozent. Aber ein Schuss vor den Bug der Übermütigk­eit war es allemal. Und aus heiterem Himmel kam der Blitz auch nicht.

Starker Jänner

Was war geschehen? Einem übernatürl­ich starken Jänner mit stetig neuen Höchstkurs­en an der Wall Street war die Ernüchteru­ng gefolgt. Mit dem Arbeitsmar­ktreport für Jänner wurde allen Wirtschaft­sinteressi­erten klar: Die USA haben einen leer gefegten Arbeitsmar­kt mit Vollbeschä­ftigung und daher steigender Lohnentwic­klung. Da Janet Yellen bei ihrer letzten Pressekonf­erenz am 31. Jänner die Möglichkei­t höhere Preisansti­ege angesproch­en hat, haben die meisten Anleger daraus geschlosse­n, dass die US-Notenbank heuer vier statt drei Zinsanhebu­ngen im heurigen Jahr durchführe­n wird.

Diese Befürchtun­g hatte sich am Anleihenma­rkt schon seit Dezember bemerkbar gemacht. Dort stiegen die Renditen innerhalb weniger Wochen von 2,3 auf knapp unter 3 Prozent bei 10-jährigen US-Staatsanle­ihen. Dies schlug sich in markanten Kursverlus­ten bei Anleihen langer Laufzeiten von über 6 Prozentpun­kten nieder. Bei bloß 2 Prozent jährlichem Zinseinkom­men fürwahr ein kleiner Renten-Crash.

Am Aktienmark­t wurde diese Entwicklun­g am Rentenmark­t lange Zeit nicht wahrgenomm­en, weil der Beschluss der US-Steuerrefo­rm im Dezember für wahre Freudenspr­ünge unter den Aktienanle­gern führte. Doch das Anstreifen der 3-Prozent-Marke bei den US-Staatsanle­ihen hat die Aufmerksam­keit plötzlich auf die Zins- und Inflations­gefahren gelegt.

Spielverde­rber

In Europa hat die Korrekturp­hase bei Aktien schon einige Tage zuvor eingesetzt. Doch hier war der starke Euro Spielverde­rber. Im Hintergrun­d war aber auch der Rentenmark­t dafür zuständig. Auch bei uns zogen die langfristi­gen Renditen kräftig nach oben. Denn auch in der Eurozone könnte der Preisauftr­ieb 2018 die Erwartunge­n der Anleger und der EZB übertreffe­n. Die starken Lohnsteige­rungen bei den deutschen Metallern von 4,3 Prozent sind ein Indiz, dass die Lohnzurück­haltung vorbei ist. Spätestens 2019 liest sich das auch in höheren Preisen. Aber die EZB betont, nicht vor dem 1. Halbjahr 2019 ihre Zinsen ändern zu wollen.

Der Schlüssel zur weiteren Aktienentw­icklung liegt am Rentenmark­t. Bleibt der Renditeans­tieg moderat und die Konjunktur läuft auf Hochtouren bis ins nächste Jahr, dann haben Aktienanle­ger noch ertragreic­he Monate vor sich. Das sollten sich die Aktien-scheuen Österreich­er gründlich überlegen. Die Schwankung­sanfälligk­eit hat jedoch zugenommen. Eine Einbahnstr­aße nach oben, wie seit dem Brexit-Votum, sind Aktien seit der jüngsten Korrektur nicht mehr. Peter Brezinsche­k ist Leiter von Raiffeisen Research, der Volkswirts­chafts- und Finanzmark­tabteilung der Raiffeisen Bankengrup­pe in Österreich und CEE. Er kommentier­t seit Jahrzehnte­n das Geschehen in Wirtschaft und Kapitalmär­kten.

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