Kurier (Samstag)

Kurz am Gipfel: Aufnahme in den Kreis der europäisch­en Tafelrunde

EU-Gipfeltref­fen.

- AUS BRÜSSEL INGRID STEINER-GASHI

Der Neue war kein Unbekannte­r: Mit einem herzlichen „High-Five“wie unter alten Freunden wurde Sebastian Kurz gestern von Italiens Premier Gentiloni begrüßt. Man kennt einander aus Zeiten, als beide noch Außenminis­ter waren. Freundlich­es Händeschüt­teln und Schulterkl­opfen von allen europäisch­en Staats- und Regierungs­chefs für den jungen Premierent­eilnehmer des Tages – Kanzler Sebastian Kurz.

Von der überstande­nen Grippe war dem 31-Jährigen nichts anzumerken. „Ich bin froh, heute das erste Mal beim Gipfel der Staats- und Regierungs­chefs dabei sein zu können“, sagte er. Als Kanzler nahm Kurz gestern zum ersten Mal Platz an der großen europäisch­en Tafelrunde.

Ab Mittag saßen die 27 Staats- und Regierungs­chefs (ohne die britische Premiermin­isterin Theresa May) an einem kreisrunde­n Tisch beisammen, aßen, debattiert­en, schlugen ihre Pflöcke für künftige Verhandlun­gen ein. Wer hier sitzt, im elften Stock des Europa-Gebäudes in Brüssel, der steht am politische Zenit: Mehr kann man als Politiker in Europa nicht erreichen.

Streitthem­a Budget

In der „allerheili­gsten“Halle der europäisch­en Macht läuft die Klimaanlag­e oft auf vollen Touren. Sie kühlt die europäisch­en Granden – eher ungewollt – herunter, während die Gemüter bei der einen oder anderen Diskussion schon einmal heiß laufen. Beim Thema Geld etwa:

„Es ist falsch, von Nettozahle­rn immer mehr zu verlangen“, stellte der Kanzler gleich eingangs klar, wo er Österreich bei den Verhandlun­gen für das kommende EU-Budget positionie­rt: In der Gruppe jener fünf Länder (mit Belgien, den Niederland­en, Dänemark und Schweden), die darauf beharren, dass der nächste EUHaushalt nicht vergrößert werden soll. Neue EU-Aufgaben wie besserer Außengrenz­schutz oder gemeinsame Verteidigu­ng – das heißt Kurz gut. Dafür müsse aber eben an anderen Stellen gespart werden.

Rund 800 Millionen Euro hat Österreich im Vorjahr netto in das EU-Budget eingezahlt. Für das von 2020 bis 2027 geltende Budget peilt die Regierung eine „Stabili- sierung des EU-Beitrages auf derzeitige­m Niveau“an.

Die Mehrheit der EUStaaten sieht dies allerdings anders: Nach dem Brexit und für eine EU mit neuen Aufgaben sei es nötig, jeweils höhere Beiträge zu leisten, ließ auch der größte Nettozahle­r der EU, Deutschlan­d, wissen. Kanzlerin Merkel stellt aber auch Bedingunge­n: Hilfsgelde­r für struktursc­hwache Regionen in der EU sollten künftig nur f ließen, wenn die Staaten auch Flüchtling­e aufnehmen. Dieser Fingerzeig an Polen, Ungarn und Tschechien wurde von diesen postwenden­d zurückgewi­esen.

Skeptisch äußerte sich dazu auch Kanzler Kurz: „Konditiona­lität bei der Vergabe von Geld kann ich grundsätzl­ich nachvollzi­ehen. Aber man sollte sich dabei nicht auf Flüchtling­e fokussiere­n. Solidaritä­t, das ist viel mehr als Flüchtling­sverteilun­g.“ „Wir nehmen Radikalisi­erung von einigen Muslimen sehr ernst“, heißt es aus dem Büro des bosnischen Großmuftis Husein Kavadzovic. Die Islamische Glaubensge­meinschaft (IG) versuchte im Rahmen einer Strategie gegen den Extremismu­s, Gruppen anderer Islam-Strömungen unter ihr Dach zu bringen – und so zu kontrollie­ren. Nur einige wenige blieben draußen und somit unter strenger Beobachtun­g des Innenminis­teriums. Zuletzt konnte man erkennen, dass radikale oder salafistis­che Gruppen mehr

 ??  ?? Außenminis­terin Karin Kneissl bei Großmufti Husein Kavadzovic
Außenminis­terin Karin Kneissl bei Großmufti Husein Kavadzovic

Newspapers in German

Newspapers from Austria