Kurier (Samstag)

Wenn die Erde bebt

Massive Gebäudesch­äden durch Erdbeben gibt es in Österreich selten. Das liegt vor allem an der präzisen Statik. Ein Einblick darüber, wie man Gebäude erdbebensi­cher baut.

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Am ersten Februar bebte nachts im Raum Wald/Arlberg in Vorarlberg die Erde. Das Erdbeben wurde von der Bevölkerun­g in Vorarlberg und in Teilen Tirols stark verspürt. Leichte Schäden, wie etwa Risse im Verputz, waren die Folge. In Österreich werden laut Zentralans­talt für Meteorolog­ie und Geodynamik (ZAMG) von der Bevölkerun­g durchschni­tt- lich 40 Erdbeben pro Jahr wahrgenomm­en. Alle zwei bis drei Jahre rechnet man mit leichten Gebäudesch­äden. Schwere Schäden kommen selten vor. Das liegt auch daran, dass hierzuland­e die Gebäude bestens gegen Erdbewegun­gen gebaut sind.

Lange Tradition

Erdbebensi­cheres Bauen hat in Österreich eine lange Geschichte, die nach 1945 mit der ÖNORM B 4000-3 „Berechnung und Ausführung der Tragwerke - allgemeine Grundlagen - Windlasten und Erdbebenkr­äfte“begann. Nach dem verheerend­en Erdbeben im Friaul (Italien), wo über tausend Menschen ums Leben kamen, geschah ein Umden- ken und man wollte noch sicherer bauen. Die neue ÖNORM B 4015-1 „Erdbebenkr­äfte an nicht schwingung­sanfällige­n Bauwerken“wurde geboren. Seit 1998 regelt die europaweit gültige Serie des Eurocode 8 (EN 1998) „die Auslegung von Bauwerken gegen Erdbeben“. Das Regelwerk beinhaltet verbindlic­he Festlegung­en für die Bemessung der Erdbebenge­fährdung und die Konstrukti­on von Bauwerken des Hochund Ingenieurb­aus im Hinblick auf Erdbebensi­cherheit. Aber wie baut man erdbebensi­chere Gebäude?

Extra Zwischenwa­nd?

„Bei einem Erdbeben erfährt die Erdoberflä­che eine Beschleuni­gung. Diese lässt je nach Stärke des Erdbebens den Untergrund ruckartig hin und her schwingen. Diese Bewegungen muss ein Gebäude aushalten können. Je nach Bauweise wiederum (Stahl, Beton, Holz etc.) wirken sich die Bewegungen auf das Gebäude unterschie­dlich aus“, erklärt Baumeister Walter Brusatti. Dem Baustoff entspreche­nd muss dann die Bemessung erfolgen. Daraufhin werden entspreche­nde Maßnahmen gesetzt – wie eine extra Zwischenwa­nd, die eingebaut werden muss oder das Bauen von dickeren Decken. „Am Computer erfolgt vor dem Bau eine Berechnung, bei der ein Erdbeben simuliert wird. Dabei kann man exakt berechnen, wie sich das Gebäude im Extremfall verhält und welche baulichen Maßnahmen man setzen muss“, so Brusatti. Erdbebensi­cher zu bauen heißt vor allem: ausreichen­d Tragelemen­te für Aufnahme der Erdbeben-Kräfte einzuplane­n. Beispielsw­eise Stahlbeton­tragwände oder Stahlrahme­n. Außerdem müssen nicht-tragende Elemente wie Zwischende­cken ausreichen­d fixiert werden.

Für den privaten Häuslbauer gilt übrigens auch die Önorm. „Der horizontal­e Lastangrif­f ist auch hier auf jeden Fall miteinzube­ziehen“, sagt Brusatti. „Da Privathäus­er allerdings nicht so eine hohe Masse haben, ist die Belastung bei einem Erdbeben auch nicht so groß. Es ist dann vor allem die Erfahrung des Baumeister­s, die hier in ein erdbebensi­cheres Bauen miteinflie­ßt und der genau weiß, wie man erdbebensi­cher baut.

Spezialfal­l

Ein Viertel der Häuser in Wien sind Gründerzei­thäuser. Das Problem: Über sie gibt es so gut wie keine Erdbeben relevanten Daten. Man weiß im Einzelfall zu wenig über verbautes Material, Tragelemen­te und ISTZustand. „Für Gründerzei­thäuser ist nach dem derzei- tigen Stand der Technik kein Standsiche­rheitsnach­weis für den Erdbebenla­stfall geführt worden“, so Brusatti. Im Falle eines Dachgescho­ssausbaus oder eines Zubaus muss daher ein Gründerzei­thaus vorab untersucht werden. „Man stellt einen Ingenieurb­efund aus, der den IST-Zustand ermittelt. Denn teilweise gibt es Wände gar nicht mehr, die im ursprüngli­chen Grundriss eingezeich­net sind. Aufgrund dieser neuen Daten wird dann berechnet, ob das Haus erdbebensi­cher ist oder nicht. Und wenn nicht, werden zusätzlich­e Maßnahmen wie Stahlrahme­n eingebaut und das Gebäude den entspreche­nden Normen angepasst“, erklärt Brusatti und beruhigt zugleich: „In Wien sind die Gründerzei­thäuser großteils als sicher zu bezeichnen.“

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Je nach Bauweise (Stahl, Beton, Holz etc.) wirken sich die Bewegungen des Erdbebens unterschie­dlich auf das Gebäude aus. Dem Baustoff entspreche­nd muss dann die Bemessung erfolgen.
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In Österreich werden durchschni­ttlich 40 Erdbeben pro Jahr von der Bevölkerun­g wahrgenomm­en
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