Das weltgrößte Kreuzfahrtschiff
2100 Besatzungsmitglieder für 5518 Passagiere, Wasserrutschen über zehn Decks
Am Rande des französischen Atlantik-Badeorts St. Nazaire mit seiner teils schon etwas abgeblätterten Eleganz stoßen wir auf die Industrielandschaft der Dock- und Hafenanlagen: Ein harter Kontrast. Die Nostalgie der traditionsreichen „Station Balnéaire“ist hier sehr weit weg – wir befinden uns in der Welt des „High Tech“und der Dimensionen, die alles bisher Dagewesene sprengen: Hier, in der Werft STX France, werden einige der mächtigsten Passagierschiffe der Welt gebaut.
Die Reedereien können kaum noch die Nachfrage der Schifffahrtgesellschaften nach neuen Schiffen befriedigen. Was früher ein Luxus war, erscheint heute für die meisten Angehörigen der mittleren Einkommensklassen durchaus erschwinglich. Dieses Jahr wird erneut eine Nachfrage-Steigerung im Kreuzfahrt-Segment um fünf Prozent auf weltweit 27,2 Millionen Passagiere erwartet.
Plötzlich türmen sich vor uns gewaltig die 18 Decks auf einer Gesamtlänge von 362 Meter: Die „Symphony of the Seas“der Royal Caribbean Cruises. Als größtes aller Kreuzfahrtschiffe weltweit mit schier unglaublichen 228.081 Bruttoregistertonnen wird sie Ende März zu ihrer Jungfernfahrt in See stechen. Die bisherige Rekordhalterin als größtes je gebautes Passagierschiff war das ebenfalls der „Royal Caribbean“gehörende Schwesterschiff „Harmony of the Seas“– auch ein Schiff der sogenannten Oasis-Klasse mit nahezu identischem Konzept, was beispielsweise die Betonung der Unterhaltungsmöglichkeiten betrifft.
5518 Passagiere
Wir betreten das gigantische Schiff – auf allen Decks, in sämtlichen Kabinen und Gesellschaftsräumen sind hektisch Techniker und Arbeiter amWerk: Mehr als 2000 seien es – zufällig entspricht diese Zahl ungefähr jener der künftigen Besatzungsmitglieder (2100) an Bord. Bei voller Belegung kann die „Symphony“5518 Passagiere in 2759 Kabinen an Bord nehmen.
Es ist ein Schiff der Superlative. Allein die vier speziell für dieses Schiff entwickelten Schiffsschrauben, die übrigens aus Effizienzgründen das Schiff ziehen und nicht durch die Fluten stoßen, haben eine Leistung von je 7500 Pferdestärken, also insgesamt enorme 30.000 PS.
Die 18 Decks sind mittels 24 Aufzügen zu erreichen; allein die Orientierung an Bord ist für den Passagier eine Herausforderung. Äußerst beeindruckend die gigantische Kommandobrücke, auf der künftig 28 Besatzungsmitglieder tätig sein werden, mit unzähligen Bildschirmen und Technologie auf dem allerletzten Stand.
Ein Kreuzfahrtschiff ist zweifellos eines der komplexesten Systeme, die der Mensch je konstruiert hat: Alles muss hier reibungslos klappen, von der Navigation über Sicherheit bis hin zum Hotellerie-Management und zur Personalorganisation.
Besonderer Wert wird auf das Unterhaltungsangebot gelegt: Auf dem relativ großen Eislaufplatz tief im Innern des Schiffes, der nebenbei auch als Bildschirm für High Tech Laser-Projektionen Verwendung findet, konnten wir eine perfekte Darbietung von Eislauf-Profis mitverfolgen. Ein großer Pool auf Deck ist nicht für die sportliche Betätigung gedacht, sondern ausschließlich für professionelle Wasserakrobatik-Shows.
Passagiere werden anders herausgefordert: Auf den beiden gigantischen Wasserrutschen, die zehn Decks hoch sind, sie heißen „Ultimate Abyss“(ultimativer Abgrund), auf 13 Meter hohen Kletterwänden und an Surf-Simulatoren (Flow Riders). Auf der „Royal Promenade“mit ihren diversen Restaurants (gegen Aufpreis zum Arrangement) lässt es sich f lanieren und im „Central Park“werden soeben 12.000 Bäume und Büsche gepflanzt. Alles ist wie in einer beliebigen Kleinstadt an Land, man ist nicht der Witterung ausgesetzt und sieht weder das Meer noch den Horizont – und stellt sich vielleicht als Passagier mitunter die Frage, ob und weshalb man sich eigentlich an Bord eines Schiffes befinde.
1370 Plätze im Theater
ImTheater, ausgelegt für 1370 Plätze, fehlen noch die letzten technischen Installationen. High Tech auch hier, im Unterhaltungssektor. Es sieht noch nicht ganz danach aus – aber alles verlaufe nach Plan, rechtzeitig zum Stapellauf, wird uns versichert. Im BordTheater sollen künftig spektakuläre Musicals stattfinden – direkt vom Broadway und auf New Yorker Niveau.
Allein für „Hairspray“, das erste Musical, habe man im Casting aus 22.000 Kandidaten 24 Darsteller ausgewählt. Das nächste Projekt ist „Flying“, bei dem nicht nur ein originalgetreuer Nachbau des historischen Flugzeugs der Brüder Wright zu sehen ist, sondern auch eine Raumkapsel mit Besatzung – unter Beratung von einem Nasa-Veteranen. Für Royal Caribbean hat jedenfalls Unterhaltung auf Broadway- oder East End – Niveau erste Priorität. Die „Symphony“ist nicht nur auf- grund ihrer gigantischen Dimensionen eine schwimmende Stadt, sie soll in ihrem Unterhaltungs- und Gastronomie-Angebot jenem einer modernen Metropolis durchaus gleichkommen.
Westliches Mittelmeer
Die „Symphony“wird vorerst im westlichen Mittelmeer Kreuzfahrten durchführen – sämtliche Luxus-Suiten für 12.000 Dollar seien schon ausgebucht, wird einem gesagt: Offenbar von zahlungskräftigen Passagieren, die eine doppelte Superlative erleben wollen – als Erste auf dem größten Passagierschiff der Welt in See zu stechen. Charles E. Ritterband war langjähriger Korrespondent der „Neuen Zürcher Zeitung“in Wien