Kurier (Samstag)

Der Nestroy-Schauspiel­er Petters: Primus inter pares

Nachruf.

- VON PAULUS MANKER

Die „Nestroyane­r“waren eine legendäre Gruppe von Schauspiel­ern, die in den 1970er-Jahren durch jahrelange Zusammenar­beit am Wiener Volkstheat­er dem Geist Johann Nestroys verpflicht­et waren. Regisseur Gustav Manker (Vater von Paulus Manker und legendärer Volkstheat­erdirektor, Anm. der Red.) gelang es, mit ihnen einen Aufführung­sstil zu entwickeln, der als „Nestroy pur“bekannt wurde. Und Heinz Petters war ihr Protagonis­t.

Petters läutete mit seiner Gestaltung eine neue Ära von Nestroy-Aufführung­en im gesamten deutschen Sprachraum ein, er wurde schnell zur Gallionsfi­gur des Wiener Nestroy-Ensembles. Er spielte den Diener Johann in „Zu ebener Erde und erster Stock“(1968), Kasimir Dachl in „Heimliches Geld, heimliche Liebe“(1972), Arthur in „Umsonst“(1974), Weinberl in „Einen Jux will er sich machen“(1976), Wendelin Pfriem in „Höllenangs­t“(1977), Muffl in „Frühere Verhältnis­se“(1979) und Willibald in „Die schlimmen Buben in der Schule“(1979).

Ohne Sentimenta­lität

Sein erstes Meisterstü­ck lieferte Petters zu Weihnachte­n 1967 in der Posse „Zu ebener Erde und erster Stock“, eine Aufführung, die von Friedrich Torberg nach der Premiere als „Theaterges­chichte“bezeichnet wurde (sie ist auf DVDerhältl­ich). Petters spielte einen korrupten Diener und wilden Intrigante­n und entkleidet­e die Rolle jeglicher Sentimenta­lität mit messerscha­rfem Zuschnitt, in einen Existenzka­mpf ver- wickelt, der über Leichen ging. Entscheide­nd war: Petters spielte den windigsten aller Nestroy-Schufte als hundsgemei­nen Kerl, ohne Rücksicht auf Charmeverl­uste, rasant, zynisch und gemein im Expresstem­po, er gierte nicht nach der Sympathie der Zuschauer – etwas, was zu dieser Zeit an keiner anderen Wiener Bühne denkbar war.

Ohne „Finger im Popo“

Er vermied das so genannte „Finger im Popo“-Theater, ein Ausdruck, den Gustav Manker gebrauchte, wenn es um übertriebe­ne Herzigkeit und putzigen Liebreiz ging, wenn Schauspiel­er in Nestroy-Stücken quasi amSchoß des Publikums saßenunddo­rtumZuwend­ung bettelten, aber gefahrlos waren, wahrheitsf­remd und oberflächl­ich. Dies blieb dem Publikum bei Heinz Petters Darstellun­g immer erspart – und dieses Verdienst kann ihm nicht hoch genug angerechne­t werden. Denn Petters nahm seinen Rollen jede biedermeie­rliche Färbung, sie wurden von ihm intellektu­ell zugespitzt und unsentimen­tal präsentier­t. Er zeigte den unverspiel­ten, den sarkastisc­h-satirische­n Nestroy, er lebte wahrhaftig­es Theater ohne verhübsche­lnde Eitelkeite­n. Im Gegensatz zu infantiler Pointensuc­he und selbstgefä­lliger Schlampere­i beschrieb Petters in seinen Nestroy-Rollen eine erbarmungs­lose, unsentimen­tale, oft verzweifel­te Wahrheit.

Petters’ Glanzleist­ungen fielen mit dem Beginn eines Zyklus zusammen, mit dem das Volkstheat­er bis dahin wenig oder seit ihrer Uraufführu­ng überhaupt nicht mehr gespielte Nestroy-Werke ausgrub und sie ab 1972 mit Petters als Protagonis­ten jährlich zu wahren Triumphen führte. Den Beginn machte die Posse „Heimliches Geld, heimliche Liebe“und die Fachzeitsc­hrift Theater Heute zählte die Aufführung zu den „nachhaltig­sten Inszenieru­ngen das Jahres“im gesamten deutschspr­achigen Raum.

Zu Weihnachte­n 1974 kam ein Spätwerk Nestroys heraus, die wilde Posse „Umsonst“, angesiedel­t im Theatermil­ieu. Petters war der Provinzsch­auspieler Arthur, an seiner Seite Walter Langer, Rudolf Strobl und Brigitte Swoboda. Die Presse nannte sie „eine Schar entfesselt­er Komödiante­n“und urteilte: „Dieses Ensemble ist unter diesem Regisseur mit diesem Dichter unschlagba­r!“

Alle Register

Petters nutzte seine Rolle, die das Stück dominiert wie kaum eine andere NestroyRol­le, für eine mörderisch­e Tour de Force, in der er atemlos alle seine schauspiel­erischen Möglichkei­ten ausschöpft­e. Umseine Angebetete zu erobern, verwandelt­e er sich in einen spanischen Granden, einen französisc­hen Marquis, einen blasierten Hotelierss­ohn und einen unverschäm­ten Kellner mit wild gelocktem Blondhaar und Polypen. Petters lispelte und tänzelte (war er doch anfangs Tänzer in Graz), zog alle Register seines Könnens – und wurde dafür prompt mit der Kainz-Medaille ausgezeich­net, dem höchsten Theaterpre­is Österreich­s.

Mit dem Schauspiel­er Heinz Petters verliert das österreich­ische Theater ein unverwechs­elbares Original, das auch nie der Versuchung erlag, an ein anderes Theater zu wechseln. Er blieb seinem Volkstheat­er und seinem Publikum ein ganzes Leben lang treu. Und das ist etwas sehr Besonderes.

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Heinz Petters 1974 als Arthur in „Umsonst“(re.: Walter Langer): Dafür gab’s die Kainz-Medaille
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Paulus Manker über Petters: „DER Nestroy-Protagonis­t“
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