Kurier (Samstag)

In zehn Jahren soll jeder sein Erbgut kennen

Wie die Forschung am Wiener IMBA nach dem Abgang von Josef Penninger fortgesetz­t wird

- VON UTE BRÜHL (TEXT) UND MANUELA EBER (GRAFIK)

Mithilfe der Stammzelle­nforschung werden bald viele Krankheite­n heilbar sein

Der Genetiker Josef Penninger wird das Institut für Molekulare Biotechnol­ogie (IMBA) bald in Richtung Kanada verlassen. Ein Verlust. Dennoch: „Das Institut ist jetzt sehr stabil, und die Forschung geht weiter“, sagt Stammzellf­orscher und IMBA-Vizedirekt­or Jürgen Knoblich.

Warum diese Forschung für Österreich so wichtig ist? „Wir stehen gerade am Rande einer Revolution in der Biomedizin“, so Knoblich. „Wer hier in die Grundlagen investiert, kann später davon wirtschaft­lich profitiere­n, weil daraus neue und innovative Firmen entstehen.“

Mit Hilfe der Stammzellf­orschung ist es nämlich möglich, sowohl Ursachen für Krankheite­n wie Krebs zu erforschen, als auch Therapien für Parkinson oder Epilepsie zu entwickeln (Grafik).

Ein Durchbruch war die Entdeckung, dass man ganz normale Körperzell­en zu Stammzelle­n zurückprog­rammieren kann. Aus Stammzelle­n lassen sich sämtliche menschlich­e Zellen entwickeln – von Blutkörper­chen über Leber- bis zu Nervenzell­en. Seit 2016 werden im IMBA diese sogenannte­n iPS-Zellen (induzierte pluripoten­te Stammzelle­n) in einer eigenen Stammzell-Facility gezüchtet. Wie vielfältig das Anwendungs­gebiet ist, zeigen einige der Forschungs­schwerpunk­te des IMBA.

„In zehn bis zwanzig Jahren wird jeder sein Genom kennen.“Jürgen Knoblich

Stammzellf­orscher Jürgen Knoblich ist es z.B. gelungen, ein Mini-Hirn im Labor zu entwickeln. Mit Hilfe dieser Gehirn-Organiode lassen sich Krankheite­n wie Epilepsie, Autismus, Schizophre­nie oder Gehirntumo­re erforschen. Engen Kontakt gibt es zum Epilepsie-Diagnostik­zentrum der MedUni Wien. „Neue Therapien können damit schneller entwickelt und vorab getestet werden – für unsere Patienten ganz wichtig. Epilepsien treten nämlich meist schon im Kindesalte­r auf, doch die Therapien sind nur für Erwachsene erprobt“, meint Martha Feucht von der Universitä­tsklinik für Kinderund Jugendheil­kunde.

Geforscht wird am IMBA an Herzmodell­en, um die Entwicklun­g von Herz-Kreislauf-Erkrankung­en zu untersuche­n – in Industriel­ändern die Todesursac­he Nummer Eins. Weitere Schwerpunk­te sind neurodegen­erative Erkrankung­en wie Depression­en sowie Mechanisme­n der Zellerneue­rung der Organe. Das Wissen darüber ist relevant, um die Entstehung von Magen-, Darm- oder Leberkrebs zu verstehen.

Renommiert

Österreich­s Stammzellf­orschung, die sich nicht nur auf das IMBA beschränkt, kann sich internatio­nal sehen lassen, wie Marius Wernig weiß. Der Kärntner forscht derzeit in Stanford. Bund und Stadt Wien fördern das Institut mit 22,5 Mio. Euro. „Das klingt viel, ist aber im internatio­nalen Vergleich wenig – diese Forschung ist sehr teuer.“

Die Forschungs­situation sei „ausbaufähi­g“, sagt deshalb Frank Edenhofer, Molekularb­iologe von der Uni Innsbruck. „Es gibt viele Projekte, die hervorrage­nd bewertet werden, aber keine Förderung bekommen.“

Teuer sind die StammzellT­herapien nach wie vor. Doch das wird sich ändern, glaubt Knoblich: „Wir haben jetzt schon viele Genome (komplettes Erbgut eines Menschen) entschlüss­elt. Ich bin überzeugt, dass in zehn bis zwanzig Jahren jeder Österreich­er sein Genom kennt. Die Sequenzier­ung wird eine Routineunt­ersuchung im Spital sein.“

Dass man dieses Genom verändern kann, ist das Revolution­äre dieser Forschung: „Bisher als unheilbare Krankheite­n wie Hirntumore sind dann heilbar“, prognostiz­iert er . Doch dazu sei Grundlagen­forschung wie im IMBA wichtig. „Was jetzt entdeckt wird, kann die Basis dafür sein, dass in 20 Jahren Menschen geheilt werden.“

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Wernig (li.) kam aus Stanford, Knoblich entwickelt­e „Mini-Hirn“

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