Kurier (Samstag)

Kritik ist Hochverrat‚ Propaganda Pflicht

- JOSEF VOTZI eMail an: josef.votzi@kurier.at auf Twitter folgen: @JosefVotzi

Ein hitziger Schlagabta­usch im Hohen Haus. Bürger, Gewerkscha­fter und Landespoli­tiker laufen gegen das Aus fürs Rauchverbo­t Sturm. Auch diese Woche kein Tag, an dem der blaue Dunst nicht für Schlagzeil­en sorgt. KURIER-Leser machen sich ob des Dauer-Qualms zunehmend in Mails und Postings Luft: Gibt es keine dringender­en Fragen als das Rauchverbo­t? Und: Warum machen die Medien dabei mit? In einem Punkt haben die Kritiker uneingesch­ränkt recht: Inhaltlich ist so gut wie alles gesagt. Die überwiegen­de Mehrheit kann und will mit der gängigen Praxis – geraucht wird meist vor der Tür – weiterhin gut leben.

Aber wir Medien tun dennoch gut daran, das Thema nicht zu lassen, aber noch besser auszuleuch­ten. Denn hinter dem Qualm wird in der Politik ein neuer Umgang sichtbar, der mehr von gestern und vorgestern ist:

– Kritik wird kriminalis­iert. Aufgrund einer KURIER-Recherche berichtete am Wochenende auch die Zeit im Bild, dass Erwin Pröll und Reinhold Mitterlehn­er das Anti-RauchVolks­begehren unterschre­iben – im Fall des mächtigste­n ÖVP-Manns a. D. und Kurz-Fans eine kleine Sensation. Für den Medienspre­cher der FPÖ war es Hochverrat. Er zeigte den ORF bei der Medienbehö­rde an: Dieser habe nur berichtet „um gegen die geplanten gesetzlich­en Regelungen der Regierung Stimmung zu machen“. Das ist nicht die erste blaue Attacke auf Journalist­en, die schlicht ihren Job machen. Recep Tayyip Erdoğan & Co lassen grüßen.

– Gegenstimm­en werden unterdrück­t. Fast die Hälfte der jetzt türkisen Mandatare, die das Kippen des Rauchverbo­ts abnicken sollen, haben 2015 als schwarze Abgeordnet­e noch fürs Gegenteil gestimmt. Ein Newcomer, der Arzt Josef Smolle, sagte kürzlich noch zum KURIER: „Ich bin der Überzeugun­g, dass die Regelung bleiben sollte, wie sie beschlosse­n wurde.“Heute verweist er auf die Frage, wie er stimmen werde, kleinlaut auf die Sprecherin des ÖVPKlubs: „Da müssen Sie die Frau Magister Brüggler fragen.“Das freie Mandat wird von den meisten seiner Kollegen neu interpreti­ert. Auch sie verweigern gegenüber Medien jede Aussage zum Rauchverbo­t. Lassen sich gestandene Frauen und Männern von der Angst lähmen, dass Kurz die nächste Listenerst­ellung wieder im Alleingang macht?

– Propaganda ist alles, Diskussion nichts. Der ORF lud vergangene­n Sonntag Türkis und Blau vergeblich zu Im Zent

rum, um über Plebiszite zu diskutiere­n. Was den Message-Kontroller­n am Ballhauspl­atz nicht in den Kram passt, dort lassen sie einfach trotzig das Visier runter. Motto: Red’s in a Sackl und stell mir’s vor die Tür. Das Rauchen ist nicht die Causa prima. Der Umgang der Regierung damit macht aber Fragen akut, die wir längst so beantworte­t glaubten: Demokratie ist Diskussion – Meinungsvi­elfalt ist belebend – Gleichklan­g bringt Stillstand. Nach nicht einmal hundert Regierungs­tagen wird sichtbar: Kurz & Strache haben eine Mission jenseits des blauen Dunstes. Sie wollen ein anderes Klima im Land durchsetze­n. Der von Türkis-Blau befeuerte vordergrün­dige Streit ums Tschicken darf den Blick auf eines nicht vernebeln: Dieser Rauch ist alles andere als ohne Feuer.

 ??  ?? Hinter dem Dauer-Qualm ums Rauchen wird sichtbar: Kurz & Strache wollen ein anderes Klima im Land
Hinter dem Dauer-Qualm ums Rauchen wird sichtbar: Kurz & Strache wollen ein anderes Klima im Land

Newspapers in German

Newspapers from Austria