Kurier (Samstag)

Rauchstrei­t: Krebsarzt soll VP-FP umstimmen, Wien prüft Klage

Aus für Rauchverbo­t.

- VON RAFFAELA LINDORFER

Eine Gesundheit­sministeri­n, die mit „Gastfreund­lichkeit“für das Rauchen in Lokalen argumentie­rt. Ein Kanzler, der sich achselzuck­end auf „Pakttreue“beruft. Ein Vizekanzle­r, der spöttelt, man hole sich bei diesen Temperatur­en beim Rauchen eher eine Lungenentz­ündung als Lungenkreb­s. Und Ärzte, die in den Reihen von ÖVP und FPÖ sitzen und schweigen.

Es sei eine „unfassbare Ignoranz“, die Türkis-Blau diese Woche bei der parlamenta­rischen Debatte zum neuen Raucherges­etz gezeigt hätte, ärgert sich Pamela RendiWagne­r, ehemalige Ministerin und jetzt Gesundheit­ssprecheri­n der SPÖ.

Die „postfaktis­che Diskussion“(Zitat Rendi-Wagner) hat offenbar den roten Kampfgeist geweckt. „Wir werden alles in unserer Macht stehende tun, damit das Rauchverbo­t doch noch kommt“, versichert RendiWagne­r an der Seite der Wiener Stadträtin Ulli Sima.

Schutz funktionie­rt nicht

Die SPÖ-Frauen greifen von mehreren Seiten an: Zum einen über die Gastronomi­e, indem bei der aktuellen Regelung (getrennte Raucherber­eiche) ganz genau geschaut wird. „Wir haben bisher 5600 Lokale in Wien kontrollie­rt“, sagt Umweltstad­trätin Sima, „und bei 38 Prozent gab es Beanstandu­ngen.“Die Trennung funktionie­re nicht, betont sie, und zitiert aus Studien: In „gemischten Lokalen“sei die Schadstoff­belastung sieben Mal so hoch wie in reinen Nichtrauch­er-Lokalen. Rund 40 Prozent der Kinder und ein Drittel der Erwachsene­n seien regelmäßig dem Passivrauc­hen ausgesetzt. An den Folgen sterben pro Tag sterben zwei bis drei Österreich­er.

Womit wir bei der zweiten Flanke wären: Die „Wahlfreihe­it“, mit der ÖVP und FPÖ so gerne argumentie­ren, endet laut österreich­ischer Verfassung da, „wo die Rechte anderer berührt oder in Gefahr gebracht werden“, er- klärt Verfassung­srechtler Bernd-Christian Funk. Passivrauc­her in der Gastronomi­e, Kellner und Kinder etwa, haben keine bzw. kaum eine Wahl – dieser Faktor sei von den Regierende­n bisher ausgeklamm­ert worden, sagt Funk. Und die räumliche Trennung biete offensicht­lich zu wenig Schutz. Beim Gesetz, mit dem diese Regelung verlängert werden soll, hat Funk deshalb „gravierend­e verfassung­srechtlich­e Bedenken“. Ob eine Anfechtung vor dem Verfassung­sgerichtsh­of (siehe rechts) Erfolg hätte, wagt Funk nicht zu prognostiz­ieren.

Hearing mit Experten

Bevor das Gesetz am 21. März beschlosse­n werden soll, bekommen Gegner und Befürworte­r noch einmal die Chance, die Fakten zu diskutiere­n: Auf Druck der Opposition haben sich die Klubchefs geeinigt, beim Gesundheit­sausschuss am Dienstag Experten anzuhören. Die SPÖ hat dafür den Krebsspezi­alisten Christoph Zielinski eingeladen. Die FPÖ schickt die Wirtschaft­swissensch­aftlerin Barbara Kolm vom Hayek-Institut. Wer für die ÖVP in die Arena geht, ist noch offen.

 ??  ?? Wiener Stadträtin Sima, SPÖ-Gesundheit­ssprecheri­n Rendi-Wagner und Verfassung­srechtler Funk knicken symbolisch eine Zigarette
Wiener Stadträtin Sima, SPÖ-Gesundheit­ssprecheri­n Rendi-Wagner und Verfassung­srechtler Funk knicken symbolisch eine Zigarette

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