Rauchstreit: Krebsarzt soll VP-FP umstimmen, Wien prüft Klage
Aus für Rauchverbot.
Eine Gesundheitsministerin, die mit „Gastfreundlichkeit“für das Rauchen in Lokalen argumentiert. Ein Kanzler, der sich achselzuckend auf „Pakttreue“beruft. Ein Vizekanzler, der spöttelt, man hole sich bei diesen Temperaturen beim Rauchen eher eine Lungenentzündung als Lungenkrebs. Und Ärzte, die in den Reihen von ÖVP und FPÖ sitzen und schweigen.
Es sei eine „unfassbare Ignoranz“, die Türkis-Blau diese Woche bei der parlamentarischen Debatte zum neuen Rauchergesetz gezeigt hätte, ärgert sich Pamela RendiWagner, ehemalige Ministerin und jetzt Gesundheitssprecherin der SPÖ.
Die „postfaktische Diskussion“(Zitat Rendi-Wagner) hat offenbar den roten Kampfgeist geweckt. „Wir werden alles in unserer Macht stehende tun, damit das Rauchverbot doch noch kommt“, versichert RendiWagner an der Seite der Wiener Stadträtin Ulli Sima.
Schutz funktioniert nicht
Die SPÖ-Frauen greifen von mehreren Seiten an: Zum einen über die Gastronomie, indem bei der aktuellen Regelung (getrennte Raucherbereiche) ganz genau geschaut wird. „Wir haben bisher 5600 Lokale in Wien kontrolliert“, sagt Umweltstadträtin Sima, „und bei 38 Prozent gab es Beanstandungen.“Die Trennung funktioniere nicht, betont sie, und zitiert aus Studien: In „gemischten Lokalen“sei die Schadstoffbelastung sieben Mal so hoch wie in reinen Nichtraucher-Lokalen. Rund 40 Prozent der Kinder und ein Drittel der Erwachsenen seien regelmäßig dem Passivrauchen ausgesetzt. An den Folgen sterben pro Tag sterben zwei bis drei Österreicher.
Womit wir bei der zweiten Flanke wären: Die „Wahlfreiheit“, mit der ÖVP und FPÖ so gerne argumentieren, endet laut österreichischer Verfassung da, „wo die Rechte anderer berührt oder in Gefahr gebracht werden“, er- klärt Verfassungsrechtler Bernd-Christian Funk. Passivraucher in der Gastronomie, Kellner und Kinder etwa, haben keine bzw. kaum eine Wahl – dieser Faktor sei von den Regierenden bisher ausgeklammert worden, sagt Funk. Und die räumliche Trennung biete offensichtlich zu wenig Schutz. Beim Gesetz, mit dem diese Regelung verlängert werden soll, hat Funk deshalb „gravierende verfassungsrechtliche Bedenken“. Ob eine Anfechtung vor dem Verfassungsgerichtshof (siehe rechts) Erfolg hätte, wagt Funk nicht zu prognostizieren.
Hearing mit Experten
Bevor das Gesetz am 21. März beschlossen werden soll, bekommen Gegner und Befürworter noch einmal die Chance, die Fakten zu diskutieren: Auf Druck der Opposition haben sich die Klubchefs geeinigt, beim Gesundheitsausschuss am Dienstag Experten anzuhören. Die SPÖ hat dafür den Krebsspezialisten Christoph Zielinski eingeladen. Die FPÖ schickt die Wirtschaftswissenschaftlerin Barbara Kolm vom Hayek-Institut. Wer für die ÖVP in die Arena geht, ist noch offen.