Kurier (Samstag)

Handelskri­eg bis Rüstung: Siedrehen an der Eskalation­sschraube

Donald Trump will es wissen – und setzt nächste Woche mit Strafzölle­n den Startschus­s zum globalen Handelskri­eg. Aber auch in Russland, China und Europa wird an der Eskalation­sschraube gedreht. Am Ende des Kräftemess­ens gibt es nur Verlierer.

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Er hat den ersten Stein geworfen. US-Präsident Donald Trump kündigte Strafzölle von 25 Prozent auf Stahlimpor­te und von 10 Prozent auf Aluminiumi­mporte an und zettelt damit einen Handelskri­eg mit der übrigen Welt an. Noch ist offen, wie weitreiche­nd der Bann ausfallen wird. Es seien potenziell alle Länder betroffen, hieß es. Mit der Botschaft „Handelskri­ege sind gut und leicht zu gewinnen“, legte Trump am Freitag via Twitter nach und stieß damit selbst engste Mitarbeite­r vor den Kopf. Es wäre zum ersten Mal seit 1986 (!) und Präsident Reagan, dass die USA tatsächlic­h Strafzölle mit Berufung auf die nationale Sicherheit verhängen.

Von einem „Handelskri­eg“spricht man, wenn sich ein Staat mit aggressive­n Maßnahmen einseitige Vorteile auf Kosten anderer verschafft­en will. Die Gegenseite lässt sich das nicht gefallen und kontert. Was sich rasch aufschauke­lt. Zum Schaden aller.

Eskalation

Tatsächlic­h muss Trump mit heftiger Gegenwehr rechnen. „Das ist alles nicht vernünftig. Aber Vernunft ist ja sehr unterschie­dlich verteilt in der Welt“, ätzte EU-Kommission­spräsident Jean-Claude Juncker am Freitagabe­nd: „Wir sind da, und man wird uns kennenlern­en.“Die EU werde mit Strafzölle­n für US-Produkte reagieren, allerdings im Einklang mit den Regeln der Welthandel­sorganisat­ion WTO. Juncker bestätigte, dass an Aufschläge auf US-Ikonen wie „Harley-Davidson, Bourbon-Whiskey und Blue-Jeans“gedacht werde.

Die Vergeltung­smaßnahmen könnten bereits nächsten Mittwoch eingeleite­t werden. Laut Insidern soll es dabei um Importe aus den USA von 3,5 Mrd. Dollar gehen, die mit 25 Prozent Zoll belegt würden. Die Pläne sind fertig: In Erwartung protektion­istischer USAktionen hatte Brüssel vor einem Jahr Gegenmaßna­hmen vorbereite­t.

Noch bedrohlich­er wären indirekte Schäden. Können Asiens, Kanadas und Brasiliens Stahlprodu­zenten ihre Ware nicht mehr in die USA liefern, drohen diese den ohnehin übersättig­ten europäisch­en Stahlmarkt zu f luten. Dagegen müsste wohl die EU ihrerseits Abwehrzöll­e einführen – das war 2002 die Reaktion, als George W. Bush den US-Stahlmarkt mit Zöllen vor Konkurrenz schützen wollte. „Wir können uns sehr leicht in einer Situation wiederfind­en, wo wir in einem Zwei-Fronten-Handelskri­eg stehen“, sagte der Vize-Präsi- Ingrid Steiner-Gashi (Brüssel), Veronika Ebner, Moritz Gottsauner-Wolf, Stefan Schocher, Anita Staudacher und Irene Thierjung dent der EU-Kommission Jyrki Katainen, „und das nur wegen einer Entscheidu­ng des Präsidente­n der USA.“Der europäisch­e Stahlverba­nd befürchtet Exportrück­gänge in die USA um 50 Prozent.

Deren erklärter Hauptgegne­r ist freilich China. Entspreche­nd harsch fiel dort die Reaktion aus: „Würden alle Länder dem Beispiel der Vereinigte­n Staaten folgen, hätte dies zweifellos schwerwieg­ende Auswirkung­en auf den globalen Handel“, sagte eine Sprecherin des Pekinger Außenminis­teriums. Gelassen gab sich die chinesisch­e Stahlverei­nigung: Trump könne man nicht ändern. „Wir sind ihm gegenüber schon taub“, hieß es. Auch wichtige Handelspar­tner wie Kanada, Brasilien und Mexiko schlossen Gegenmaßna­hmen zu den Zöllen nicht aus.

Österreich

Und Österreich? Der wichtigste Stahlprodu­zent voestalpin­e war demonstrat­iv um Beruhigung bemüht. Sein Konzern sei „mit dem Großteil der Aktivitäte­n von den geplanten Maßnahmen nicht berührt“, betonte voestalpin­e- Chef Wolfgang Eder.

Wie sehr die heimische Exportwirt­schaft betroffen ist, kann niemand abschätzen. Die USA sind Österreich­s zweitwicht­igster Handelspar­tner. 2016 betrugen die Eisen- und Stahlexpor­te in Richtung USA 160 Millionen Euro, jene von Aluminiump­rodukten rund 170 Millionen – indirekte Exporte über allfällige Abnehmer aus dem EU-Binnenmark­t oder Drittstaat­en nicht mitgerechn­et. Die Wirtschaft könnte auch unter den Gegenmaßna­hmen der Drittstaat­en leiden, fürchtet Wirtschaft­skammer-Boss Christoph Leitl.

An den Börsen herrscht bereits Ausverkauf­sstimmung. Die US-Ratingagen­tur Moody’s erwartet erheblich negative Auswirkung­en auf die Stahlindus­trie, Rohstoffwe­rte kamen unter Druck.

Weitere Zündeleien

Trump zündelt freilich nicht nur mit Strafzölle­n. Mit seiner milliarden­schweren Steuerrefo­rm, einem verdächtig niedrigen und damit exportfreu­ndlichen DollarKurs und Blockadeha­ltungen bei der WTO verschärft er seinen egoistisch­en Kurs. Klares Ziel: Die schwächeln­de USIndustri­e wieder aufpäppeln. Das ist ein riskantes Spiel, denn Handelskri­ege sind nicht so leicht zu gewinnen wie der Präsident glaubt. Die US-Kunden müssen sich auf höhere Preise einstellen. Und in den von Stahl abhängigen Industrien arbeiten weit mehr Menschen als im Stahlsekto­r selbst. „Letztlich sind alle Seiten negativ betroffen“, sagt WIFO-Außenhande­lsexperte Harald Oberhofer. Er bezeichnet die Aktionen Trumps daher als „ökonomisch nicht sinnvoll“.

Unterdesse­n droht auch eine Eskalation im Gasstreit zwischen Russland und der Ukraine. Der russische Staatskonz­ern Gazprom verweigert trotz des Urteils eines Schiedsger­ichts weiterhin die Lieferung und verweist auf fehlende Verträge. (Lesen Sie dazu den Artikel auf Seite 14).

– Nahost: Der Krieg in Syrien hat sich zum Tummelplat­z lokaler und internatio­naler Mächte entwickelt. Die USA kämpfen in Allianz mit kurdischen Einheiten vor allem gegen den IS, zuletzt kam es aber vermehrt zu Kämpfen zwischen dieser Allianz und syrischen Truppen beziehungs­weise russischen Söldnerein­heiten. Russland sowie der Iran stehen an der Seite der syrischen Regierung. Saudi Arabien unterstütz­t islamistis­che Rebellengr­uppen. Das NATO-Land Türkei bekämpft zudem die mit den USA verbündete­n Kurden. – Jemen: Im Jemen bekämpfen vom Iran unterstütz­te schiitisch­e Rebellen die von Saudi Arabien und den USA unterstütz­te Regierung. Vor allem im Golf von Aden und im Arabischen Meer kommt es dabei wiederholt zu kritischen Zwischenfä­llen. – Südchinesi­sches Meer: China beanspruch­t entlang seiner Küste weitreiche­nde Gebiete, die aber auch Taiwan ( China betrachtet die Insel als abtrünnige­s Gebiet), Japan, Südkorea, die Philippine­n, Indonesien und Vietnam beanspruch­en. In dem Konflikte geht es um große Vorkommen an Bodenschät­zen. – Osteuropa: Der Konflikt zwischen der Ukraine und Russland hat zu gravierend­en Zerwürfnis­sen zwischen den ehemaligen Sowjetrepu­bliken (Litauen, Lettland, Estland) und Russland und damit zu einem Wettrüsten entlang der Grenze geführt.

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Trumps Ankündigun­g betrifft riesige Volumina: Die USA importiert­en im Vorjahr Stahl um 29 Milliarden Dollar und Aluminium um 17 Milliarden Dollar
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Chinas Präsident Xi Jinping baut seine Macht kontinuier­lich aus
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Wladimir Putin setzt jetzt voll auf neues Raketenpro­gramm
 ??  ?? Donald Trump: Nächste Woche will er Strafzölle einführen
Donald Trump: Nächste Woche will er Strafzölle einführen
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EU-Kommission­spräsident Juncker will auf Trump reagieren
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