Kurier (Samstag)

Rüstungswe­ttlauf wie im Kalten Krieg „Russland will auf Augenhöhe sein“

Interview.

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Westliche Experten wie Oliver Meier von der deutschen „Stiftung Wissenscha­ft und Politik“können derzeit nicht einschätze­n, ob diese futuristis­ch anmutenden Marschflug­körper tatsächlic­h machbar seien. Die USA hätten ein derartiges Waffenprog­ramm Ende der 1960er-Jahre aufgegeben, weil es ihnen offenbar nicht machbar erschienen war, sagt Meier im KURIER-Gespräch. Er weist zudem darauf hin, dass die Erprobung solcher Raketen mit Mini-Nuklearrea­ktoren ein enormes Sicherheit­srisiko für Russland darstellen würde.

Es gebe auf jeden Fall „wieder einen nuklearen Rüstungswe­ttlauf“, analysiert Meier. Der derzeit zu beobachten­de Aktions-ReaktionsM­echanismus sei auch eines der wesentlich­en Merkmale des Kalten Krieges gewesen. Man müsse diese Situation als gegeben hinnehmen und könne „nicht mehr so tun, als würden beide Seiten miteinande­r kooperiere­n wollen“. Wichtig sei es nun, zu verhindern, dass Missverstä­ndnisse entstünden, dass kleinere Krisen nicht aus dem Ruder laufen.

Auch wenn USA, Russland und Nordkorea zuletzt die Schlagzeil­en beherrscht­en, bauen dem Stockholme­r Konf liktforsch­ungsinstit­ut SIPRI zufolge alle Atommächte ihre Arsenale aus. Offizielle Atommächte sind auch Großbritan­nien, Frankreich und China. Darüber hinaus verfügen neben Nordkorea auch Indien, Pakistan und Israel über Nuklearwaf­fen.

9000 Atomwaffen

Zusammen besaßen die neun Staaten laut SIPRI im Vorjahr mehr als 9000 Atomspreng- köpfe. Der größte Teil davon ist den USA und Russland. Noch in den 80ern hatte es weltweit 70.000 Atomwaffen gegeben. Der Rückgang ist Abrüstungs­abkommen wie dem „Vertrag über atomwaffen­fähige Mittelstre­ckenrakete­n“von 1987 zu verdanken – die von USA und Russland mittlerwei­le in Frage gestellt werden. Ein Verbot von Atomwaffen, wie es vergangene­s Jahr von 122 UN-Staaten beschlosse­n wurde, rückt damit in noch weitere Ferne. Wolfgang Rudischhau­ser, der Vizepräsid­ent der deutschen Bundesakad­emie für Sicherheit­spolitik, über die globale Sicherheit­slage. KURIER: Handelt es sich bei Wladimir Putins Aufrüstung­splänen um eine Drohung, Wahlkampfg­etöse oder Ablenkung von anderen Problemen? Wolfgang Rudischhau­ser: Es ist eine Kombinatio­n von allem. Diese Rede kommt zeitlich natürlich nicht von ungefähr. Der Teil über neue Waffen soll von den innenpolit­ischen und wirtschaft­lichen Problemen ablenken. Putin wollte damit seinen Anhängern vorführen, dass Russland technologi­sch wieder eine wichtige Macht ist. Der andere Aspekt ist natürlich, dass Russland sich durch die USA minderwert­ig behandelt sieht und gehofft hatte, mit Präsident Trump wieder auf Augenhöhe zu kommen. Insofern ist die Rede auch als Reaktion auf die neu vorgestell­te Nuklearpol­itik unter Trump zu sehen. Über Europa häufen sich Zwischenfä­lle mit russischen Militärflu­gzeugen, nun folgte diese Rede. Welche Strategie wird damit verfolgt?

Es gibt natürlich eine stärkere Rhetorik auf russischer Seite. Nach außen soll das signalisie­ren: Wir wollen auf Augenhöhe reden und möchten wahrgenomm­en werden. Tatsächlic­h würde ich sagen, dass das Risiko einer Eskalation oder eines neuen Kalten Krieges immer noch außerorden­tlich begrenzt ist. Die russischen Überflüge im Baltikum sind eher Nadelstich­e und Testballon­s. Die eigentlich­e Gefahr ist nicht, dass Russland das Baltikum massiv bedroht, sondern, dass aus kleinen Zwischenfä­llen durch Missverstä­ndnisse ein größerer Konflikt entsteht. Sehen wir den Beginn eines neuen Wettrüsten­s?

Nein, ich glaube nicht, dass es ein neues Wettrüsten gibt. Im Grunde ist Russland weder wirtschaft­lich noch technologi­sch dazu in der Lage. Und auf US-Seite wissen wir, dass die Konzentrat­ion darauf liegt, die amerikanis­che Wirtschaft wieder vorwärts zu bringen. Ist das globale Eskalation­spotenzial gestiegen?

Das würde ich nicht sagen, dass es gestiegen ist. Aber ich denke, dass die Gefahr von Missverstä­ndnissen größer ist. Das gilt natürlich weltweit. Wenn man sich Syrien anschaut, wo alle möglichen Player auf engem Raum involviert sind – so etwas kann natürlich schnell außer Kontrolle geraten. Tragen die aktuellen Handelskon­flikte zur Verschärfu­ng der Lage bei?

Ich sehe die Handelskon­f likte eigentlich nicht in Zusammenha­ng mit einer militärisc­hen Eskalation. Im Moment – und ich glaube auch in Zukunft – werden diese Konflikte auf Handelsebe­ne ausgetrage­n, dafür gibt es Institutio­nen wie die WTO und Möglichkei­ten deeskalier­end zu wirken. Die Globalisie­rung hat natürlich zur Folge, dass jeder in gewisser Weise vom anderen abhängig ist.

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Die Langstreck­enrakete Sarmat soll unerkannt USA erreichen können
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Wolfgang Rudischhau­ser glaubt nicht an einen Kalten Krieg

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