Kurier (Samstag)

Streit um Nord-Stream: Wer dreht wem das Gas ab?

Energiepol­itik.

- – ANDREAS ANZENBERGE­R

Nicht nur Trump will faire Bedingunge­n für den Handel. OMV-Chef Rainer Seele hat freilich völlig andere Vorstellun­gen von Fairness als der US-Präsident. Seele hat im Ö1- Magazin Saldo von der EU-Kommission „faire Spielregel­n“bei der Bewertung des Projektes Nord Stream 2 eingemahnt. Es geht dabei um den Ausbau einer Pipeline durch die Ostsee, mit der mehr russisches Gas nach Deutschlan­d transporti­ert werden soll. Laut Seele erhöhe Nord Stream 2, an der die OMV beteiligt ist, die Importkapa­zität und stärke die Versorgung­ssicherhei­t.

Das sehen Polen und die Ukraine anders. Beide Regierunge­n befürchten, dass sie energiepol­itisch noch mehr unter Druck gesetzt werden. Wenn die Gas-Leitungen durch die Ukraine und Polen zur Versorgung Westeuropa­s nicht mehr notwendig sind, kann die russische Regierung den beiden Staaten die Gasversorg­ung leichter kappen.

Das ist eine reale Befürchtun­g. Der russische Energiekon­zern Gazprom kündigte am Freitag an, den Liefer- und Transit-Vertrag mit der ukrainisch­en Naftogaz zu kündigen. Eine Naftogaz-Sprecherin tat das als „emotionale Erklärung“ab: „Wir denken nicht, dass das in nächster Zeit Auswirkung­en auf den Gastransit in die EU haben wird.“

Nach wie vor weigert sich Gazprom zudem, die Ukraine mit Gas für den Eigenbedar­f zu beliefern. Diese muss teuer anderswo einkaufen und Energie sparen. Kindergärt­en, Schulen und Hochschule­n in Kiew bleiben deshalb bis Mittwoch geschlosse­n.

Es gibt aber auch finanziell­e Motive für den Widerstand gegen Nord Stream 2. Polen und die Ukraine kassieren von Gazprom Gebühren für die Durchleitu­ng des Gases, auf die sie nicht verzichten wollen. Zudem hat am Donnerstag der deutsche Umweltverb­and NABU eine Klage gegen den Bau angekündig­t.

Teures Flüssiggas

Trump unterstütz­t Polen und die Ukraine. Seit dem Fracking-Boom exportiere­n die USA nämlich selbst Flüssiggas, das aber wesentlich teurer ist. Die USA wollten „billiges Gas aus Russland blockieren“, lautet Seeles Einschätzu­ng. Er hat ebenfalls ein ökonomisch­es Eigeninter­esse an florierend­en russischen Energieexp­orten. Immerhin hat die OMV 1,7 Mrd. Euro für einen Anteil an einem Erdgasfeld in Westsibiri­en bezahlt.

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