Kurier (Samstag)

Polizei rüstet technisch massiv auf

Neue Computerpr­ogramme und Wissenscha­ftler unterstütz­en bei Brand- oder Mordermitt­lungen

- VON DOMINIK SCHREIBER

Spektakulä­re Explosione­n wie in der Gaspumpsta­tion in Baumgarten (NÖ), Brände an heiklen Orten wie der russischen und thailändis­chen Botschaft oder ein Verdacht auf eine der mysteriöse­n, spontanen Selbstentz­ündungen: Bei solchen heiklen Fällen haben die Ermittler des Fachbereic­hs Physik im Bundeskrim­inalamt ihren Auftritt. Wie im Fernsehen, wo Columbo meist „ein Labor“benötigt, um seine Fälle zu lösen, ist es auch in der Wirklichke­it.

Im Physik-Referat sind statt gelernter Polizisten echte Wissenscha­ftler und Techniker am Werk. Zum aktuellen Team gehören etwa Chemiker, Hoch-/Tief bau-Ingenieure, Maschinenb­au-Experten, Elektrotec­hniker oder sogar ein Büchsenmac­her. Um Kriminelle­n nicht zu viel Informatio­nen zu geben, öffnen sie normalerwe­ise nur selten ihre Türen für Journalist­en. Denn die Ermittlung­smethoden der österreich­ischen Polizei sind auf Hightech-Niveau.

3-D-Vermessung­en

Und derzeit wird noch einmal massiv aufgerüste­t – ein neues Programm soll etwa eine dreidimens­ionale Vermessung und „Begehung“von Brandruine­n ermögliche­n.

Mit einem weiteren Programm, das derzeit vom Bundeskrim­inalamt gemeinsam mit der TU Wien entwickelt wird, sollen Abdrücke von Schuhen oder Werkzeugen eingescann­t und halb automatisc­h verglichen werden. „Man kann sogar feststelle­n, zu welchem Auto ein abge- brochener Mercedesst­ern gehört“, erklärt Referatsle­iter Herbert Gram . Das würde bei vielen Ermittlung­en künftig enorm weiterhelf­en. Der Computer sucht die Teile zusammen, der Mitarbeite­r des Bundeskrim­inalamts bestätigt das anschließe­nd.

Ballistik

Auch im Teilbereic­h Ballistik setzen die Beamten auf eine neue Software, die immerhin einen niedrigen sechsstell­igen Betrag kostet. Damit können Patronenhü­lsen verglichen werden. Jedes abgeschoss­ene Projektil hat nämlich einen eigenen Fingerabdr­uck, der es einzigarti­g macht. Mit dem Programm können Mordfälle verknüpft werden. Das System soll auch mit mehreren Nachbarlän­dern vernetzt werden, die derzeit ähnlich aufrüsten. Das könnte den einen oder anderen Fall der Vergangenh­eit doch noch aufklären.

Brände gehören zu den schwierigs­ten Fällen, die Arbeit ist ein Puzzlespie­l. „Der Boden eines Brandortes ist immer kühler als die Decke, deshalb gibt es dort mehr Spuren“, erklärt Gram. Oft müssen deshalb erst mühsam die eingestürz­ten Deckenteil­e weggeräumt werden, um etwas in dem Schutt zu entdecken. „Wenn ein Suchhund anschlägt, hilft uns das zwar weiter, aber gerichtlic­h verwertet werden kann das nicht“, sagt der Experte. Der Schutt muss dann im Referat chemisch analysiert werden – deshalb werden hier Fachleute benötigt.

Möbel-Puzzle

Mitunter müssen die Ermittler auch die Reste von Möbeln im bereits beiseite geräumten Schutt suchen und diese dann in mehreren Tagen Arbeit Stück für Stück zusammense­tzen. Weitere Unterstütz­ung bei den Untersuchu­ngen erhalten sie von einem Drohnentea­m des Innenminis­teriums. Nach der Arbeit vor Ort beginnt das Eliminatio­nsverfahre­n. „Wir haben eine Liste mit Ursachen – vom Meteoriten­einschlag angefangen“, sagt der Referatsle­iter. Stück für Stück wird alles ausgeschlo­ssen, bis nur mehr eine einzige Ursache übrig bleibt.

Knapp 100 solcher Fälle bearbeitet­en die sechs spezialisi­erten Brandermit­tler im Vorjahr. Dabei sind sie für die gesamte Polizei in Öster- reich rund um die Uhr erreichbar. „Wir haben eine 24Stunden-Rufbereits­chaft“, sagt Gram. Selbst im hintersten Tal steht also das Knowhow der Experten jederzeit abrufberei­t zur Verfügung.

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Techniker helfen der Polizei bei ihrer Arbeit. Zu den schwierigs­ten Aufgaben gehört die Ermittlung von Brandursac­hen. Dabei kommt inzwischen modernste 3-D-Technologi­e zum Einsatz
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 ??  ?? Ein neues Programm, um Projektile halb automatisc­h zu vergleiche­n
Ein neues Programm, um Projektile halb automatisc­h zu vergleiche­n
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Herbert Gram leitet das Referat Physik im Bundeskrim­inalamt
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