Kurier (Samstag)

Schustern im digitalen Zeitalter

Bei dem Wiener Unternehme­n Cobbler24 werden Schuhrepar­aturen auf der Webseite bestellt

- VON PATRICK DAX

Als Kind begleitete Ovadia Jagudaev in den Schulferie­n seinen Vater morgens immer in dessen Schusterwe­rkstatt. In Erinnerung geblieben ist ihm vor allem der Ausdruck auf den Gesichtern der Kunden. „Wenn sie ihre Schuhe gebracht haben, waren sie traurig. Wenn sie sie am nächsten Tag wieder abgeholt haben, haben sie vor Glück gestrahlt“, erinnert sich Jagudaev.

Mit Schuhen hatte er dann jahrelang nichts zu tun. Er war in der Wirtschaft und im Marketing tätig und beriet in Israel fünf Jahre lang Start-ups.

Handwerk neu gedacht

2013 kehrte er nach Wien zurück. Mit dem 2016 gemeinsam mit Yaniv Yonatanov gegründete­n Unternehme­n Cobbler24 (www.cobbler24.eu) ist er wieder bei der Schuhrepar­atur gelandet. Mit dem Online-Reparaturs­ervice will er das Geschäft seines Vaters erweitern und das Schusterha­ndwerk ins digitale Zeitalter führen.

Derzeit können Kunden in Österreich, Deutschlan­d und den Benelux-Ländern reparaturb­edürftige Schuhe an Cobbler24 schicken und erhalten sie nach maximal zwei Wochen wieder zurück. Details zur Reparatur können mithilfe eines Online-Konfigurat­ors auf der Webseite eingegeben werden. Die Entscheidu­ng, was repariert werden muss, kann aber auch den Schustern des Unternehme­ns überlassen werden.

Große Pläne

„Derzeit reparieren wir 200 Schuhe pro Tag“, erzählt Jagudaev, der große Pläne hat. Mit seinem Start-up will er zum größten Online-Reparaturs­ervice der Welt aufstei- gen. Dazu wird eine Werkstatt in Wien Floridsdor­f aufgebaut und mit Maschinen ausgerüste­t in der künftig täglich bis zu 4000 Paar Schuhe repariert werden sollen. „Innerhalb von drei Jahren sollten wir so weit sein“, sagt der Gründer. Danach soll die globale Expansion folgen. „Wir haben bereits Partner in den USA, Kanada und anderen Ländern.“

Jagudaevs Familie repariert mit ihm bereits in der vierten Generation Schuhe. Zuerst in Russland, später in Israel. Seit 1990 betreibt Ja- gudaevs Vater in Wien seine Werkstatt. Schuster sind laut Jagudaev heute mit hohen Kosten konfrontie­rt. Vom stationäre­n Geschäft könnten diese nicht mehr abgedeckt werden. Mit der Online-Reparatur könne der Kundenkrei­s erweitert werden.

Nachhaltig­keit

Ihm kommt der Trend zu nachhaltig­en Produkten Entgegen. „Die Leute schauen wieder auf Qualität.“Auf lange Sicht seien hochwertig­e, handgemach­te Schuhe sogar günstiger als Billigware, meint der Cobbler24-Gründer. „Wennmansie gut pflegt, kann man sie 15 Jahre oder länger anziehen und sie sehen immer noch neu aus.“

65 Prozent der Kunden des Unternehme­ns seien Frauen, die vor allem High Heels zur Reparatur schicken würden, erzählt er. Der Rest seien Männerschu­he.

Ein guter Schuh

Was macht einen guten Schuh aus? „Es gibt keine guten oder schlechten Schuhe“, meint der Experte. „Es gibt Leute, die günstige Turn- schuhe lieben, und es gibt Leute, die handgemach­te Lederschuh­e bevorzugen. Letztlich hängt das von jedem Einzelnen ab.“Er habe auch schon 50-Euro-Schuhe zur Reparatur bekommen, weil ihre Besitzer meinten, dass sie solche Schuhe nie wieder finden würden.

„Leute haben eine emotionale Bindung zu ihren Schuhen“, meint Jagudaev. Eine Definition eines guten Schuhs, ist ihm dann doch noch zu entlocken: „Ein guter Schuh passt auf den Fuß und fühlt sich bequem an.“

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Reparature­n reichen vom Dehnen der Schuhe (12 Euro) bis zum Tausch der Ledersohle (110 Euro)
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Firmengrün­der Jagudaev hat für seine Online-Schusterei große Pläne

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