Unser täglich Mehl
Über das Handwerk kleiner Mühlen und wo es bald Bäcker-Mehle zu kaufen gibt
Bei Wein sprechen wir von Terroir und meinen damit den Boden, auf dem die Rebstöcke wachsen, die Sonne, den Regen und Wind. Wir sprechen über den Rebenschnitt und die Rebensorte, aber warum sprechen wir bei Mehl nur von griffig und glatt? Müller Franz Forstner aus St. Marien (OÖ) nimmt eine Handvoll Mehl und riecht daran: „Es geht um den Charakter. Der Grundstein wird bereits mit dem Anbau der Getreidesorte im Herbst gelegt. Auf der Mühle kann man nichts retten, wenn der Rohstoff nicht passt.“Alle Faktoren, die für die Entwicklung eines guten Weines verantwortlich sind, braucht es ebenso für den Anbau und das Mahlen von Getreide.
Barbara van Melle, Chefin von Slow Food Wien, organisiert auch heuer wieder das BrotFestival „Kruste und Krume“. Im Mittelpunkt des Events stehen gewerbliche Mühlen, die auf heimische Getreidesorten aus ihren Regionen setzen: „Zu solchen Mehlen kommt der Konsument normalerweise ja gar nicht, deswegen gibt es sie bei uns zu kaufen. Dann können Hobby-Bäcker mit den gleichen Zutaten backen wie die Handwerks-Bäcker.“Außerdem initiierte die Brot-Expertin eine digitale Plattform, auf der künftig die Langer-Mühle, die Forstner-Mühle, die DykMühle sowie die Polsterer-Mühle ihre Mehle direkt an private Haushalte verkaufen können. Forstner: „Der Hobby-Bäcker ist dadurch zu Hause nicht mehr so eingeschränkt – er hat die gleichen Möglichkeiten wie ein Profi.“Und es gibt mit einem kleinen, ökologischen Fußabdruck einen weiteren Vorteil, denn die regionalen Mehle werden direkt nach Wien transportiert. Industrielle Mehle sind im Gegensatz dazu oft eine Mischung aus ausländischen Mehlsorten .
Staubiger Alltag
Kleine Müller kaufen das ganze Jahr über Ernten aus der Region auf und lagern diese, um einen ausreichend großen Jahresvorrat aufbauen zu können. Darunter befinden sich viele spezielle Mehl-Typen, auf die große Händler erst gar nicht setzen für die Herstellung von Haushaltsmehlen. So braucht es oft für traditionelle Gebäcke wie für das mit Anis gewürzte Störibrot – der Weihnachtsklassiker in Oberösterreich – Spezialsorten wie Weißroggen.
Viel Mathe, wenig Romantik
So viel Rampenlicht wie durch die Veranstaltung von van Melle bezeichnen die Bäcker unisono als Segen für die Zunft: „Die regionalen Mühlen sind durch direkten Kontakt zu Landwirten und Bäckern der ideale Partner“, zeigt sich Müller Eduard Langer aus Ober-Grafendorf überzeugt. „Die hohe Kunst des Müllers ist dafür zu sorgen, dass das Mehl eine gleichbleibende Qualität hat.“
Das romantische Bild des Müllers stimmt übrigens nicht mehr – der Sack am Rücken kommt im Alltag selten vor: Der Beruf erfordert viel mathematisches Verständnis und Liebe für technische Abläufe. Und viele Gespräche mit den Landwirten und Bäckern.