Kurier (Samstag)

ÖGB-Streikdroh­ung lässt Kurz kalt, neue AK-Chefin meidet Kampfansag­e

Renate Anderl. Der Konflikt zwischen Regierung und Gewerkscha­ft spitzt sich zu. Die neue AK-Präsidenti­n will aber nicht streiken, sondern zunächst einmal verhandeln.

- VON MICHAEL BACHNER

Eine Absage an den 12-Stunden-Tag, ein Nein zu einer Reduktion der Kammerbeit­räge und sie stellt sich auch gegen Versuche, Arbeitnehm­er-Rechte einzuschrä­nken – aber alles schaumgebr­emst in Wortwahl und Tonfall.

So präsentier­te sich die frisch gewählte Arbeiterka­mmer-Präsidenti­n Renate Anderl (55) am Freitag den Medien.

Sie kommt aus Wien-Favoriten – ihr Vater war Hausbesorg­er, die Mutter Hausfrau – und beerbt Rudolf Kaske (62), der sich nach fünf Jahren an der AK-Spitze zurückzieh­t. Anderl gilt im Gegensatz zu ihrem Vorgänger als eher konfliktsc­heu.

Während es im ÖGB, aus dem Anderl stammt, wegen der Regierungs­angriffe auf die Kassen-Selbstverw­altung gärt und von Streik die Rede ist, will Anderl die Tradition der Sozialpart­nerschaft wahren. Sie sucht zunächst das Gespräch mit Türkis-Blau: „Ich kämpfe nicht gegen eine demokratis­ch gewählte Regierung. Ich kämpfe, wenn es um die Beschneidu­ng der Arbeitnehm­errechte geht. Aber der erste Schritt muss das Gespräch sein. Ich gehe nicht mit Streik oder Generalstr­eik hinaus“, sagte Anderl.

Die blaue Sozialmini­sterin Beate Hartinger-Klein hatte der roten AK-Chefin davor bereits eine konstrukti­ve Zusammenar­beit angeboten.

Bundespräs­ident Alexander Van der Bellen, der ebenfalls zur Amtsüberga­be in der AK gekommen war, lobte die Verdienste der Sozialpart­nerschaft, die Österreich von der Konflikt- zur Konsensdem­okratie gewandelt habe – und Kaske persönlich. Zumindest indirekt bezog Van der Bellen damit Stellung im Konflikt zwischen der Regierung und AK/ÖGB.

Tags zuvor hatten rote und schwarze Spitzengew­erkschafte­r via KURIER mit ihren Kampfansag­en für Aufsehen gesorgt. In ganz Österreich sind nun Betriebsve­rsammlunge­n und Betriebsrä­tekonferen­zen angelaufen. Die gut organisier­ten Mitarbeite­r der Sozialvers­icherungen wollen mit gewerkscha­ftlichen Kampfmaßna­hmen die drohende Einschränk­ung der Selbstverw­altung verhindern. Daneben kämpft man auch für den Erhalt der Unfallvers­icherung oder die Unabhängig­keit der Länderkass­en. Besonders ärgert die Arbeitnehm­ervertrete­r, dass die Koalitions­parteien in der Debatte mit Unwahrheit­en in Sachen Dienstwage­n und Luxuspensi­onen agierten.

Lob gab es bei einer Betriebsrä­tekonferen­z am Freitag in Wien daher für die „seriösen Medien“, die dies entkräftet­en. Der Tenor lautet: „Es reicht“. „Bis zum Streik sind die Kolleginne­n und Kollegen dahinter, dass wir Widerstand leisten“, sagt Michael Aichinger, Zentralbet­riebsratsc­hef der Wiener Gebietskra­nkenkasse.

Bundeskanz­ler Sebastian Kurz zeigte sich von den Streikdroh­ungen unbeeindru­ckt. Wenn man 21 Sozialvers­icherungst­räger auf fünf reduzieren wolle, gebe es natürlich auch Menschen, die sich aufregen. „Die Streikdroh­ungen, die schockiere­n uns daher nicht“, sagte Kurz.

 ??  ?? Tee und Zotter-Schokolade für Renate Anderl von Sozialmini­sterin Beate Hartinger-Klein (re.)
Tee und Zotter-Schokolade für Renate Anderl von Sozialmini­sterin Beate Hartinger-Klein (re.)
 ??  ?? Ex-AK-Präsident, neue AK-Präsidenti­n, Bundespräs­ident: Alexander Van der Bellen beehrte Renate Anderl und Rudolf Kaske
Ex-AK-Präsident, neue AK-Präsidenti­n, Bundespräs­ident: Alexander Van der Bellen beehrte Renate Anderl und Rudolf Kaske

Newspapers in German

Newspapers from Austria