Kurier (Samstag)

Das Salzburger Prinzip Hoffnung

Sieben Gründe, warum nach dem 0:2 in Marseille erneut eine Aufholjagd gelingeng könnte

- VON STEPHAN BLUMENSCHE­IN

„Aufgegeben wird nur ein Brief “heißt es in einem Sprichwort, das natürlich schon ziemlich antiquiert ist. Denn wer gibt heute schon noch in den Zeiten der drahtlosen Kommunikat­ion einen Brief auf? Doch „Abgeschick­t wird nur ein eMail“passt dann halt doch nicht so gut, wenn man umschreibe­n will, dass man doch noch an seine Chance glaubt, auch wenn diese nicht mehr wirklich groß ist.

Genau das machen die Salzburger nach der 0:2-Niederlage im Semifinal-Hinspiel der Europa League bei Olympique Marseille. Es bleibt ihnen aber auch nichts anderes übrig. „Wenn eines zu unserer DNA gehört, dann ist es, nicht aufzugeben“, meinte Trainer Marco Rose schon kurz nach dem Hinspiel im Hexenkesse­l Stade Vélodrome, in dem sich die beherzt auftretend­en Salzburger ein wesentlich besseres Ergebnis verdient gehabt hätten.

Zwei-Tore-Rückstand

So muss Österreich­s Serienmeis­ter am Donnerstag in der längst ausverkauf­ten RedBull-Arena einem Zwei-ToreRückst­and nachlaufen – wie schon im Viertelfin­ale gegen Lazio Rom. Anders als gegen die Italiener (2:4 im Hinspiel) haben die Salzburger in Marseille allerdings kein Auswärtsto­r geschossen, das bei Ergebnisgl­eichstand nach 180 Minuten den Ausschlag geben würde.

Und trotzdem: Salzburg ist noch lange nicht ausgeschie­den. Was macht Hoffnung für das zweite Duell? Was muss alles anders laufen, damit es doch noch klappt mit dem ersten Einzug einer österreich­ischen Mannschaft in ein Europacup-Finale seit Rapid im Jahr 1996? – Der Gegner Eines hat das Hinspiel gezeigt: Olympique hat nicht die Qualität von Lazio. Während Salzburg in Rom eine höhere Niederlage als das 2:4 verdient gehabt hätte, war das 0:2 in Marseille unverdient. Die Franzosen konnten in keiner Phase des Spiels Druck ausüben wie die Italiener in der Endphase des Viertelfin­al-Hinspiel. Marseille ist dank Dimitri Payet gefährlich bei Standards. Das wussten die Salzburger schon vor dem Semifinale. Die gilt es noch konsequent­er zu vermeiden – besonders in der Startphase des zweiten Duells, denn ein frühes Olympique-Tor würde die Sache sicher nicht erleichter­n. – Die Heimstärke Die Red-BullArena ist schon lange eine Festung – und sie war dies auch in dieser EuropaLeag­ue-Saison. Die drei Heimspiele in der K.-o.-Phase brachten zwei Heimsiege (2:1gegen Real Sociedad, 4:1 gegen Lazio) und ein Remis (0:0 gegen Dortmund). Aber Achtung: Die letzte Heimnieder­lage im Europacup setzte es mit einem 0:1 gegen OSC Nizza just gegen eine französisc­he Mannschaft. Das ist aber schon ziemlich lange her, es passierte im Oktober 2016 – seither ist Salzburg immerhin schon zehn Europacup-Heimspiele ungeschlag­en geblieben. Die Erfolgsbil­anz lautet sieben Siege und drei Unentschie­den. – Das Glück Dieses war in dieser Europa-League-Saison ein durchaus treuer Salzburg-Begleiter gewesen – bis Donnerstag. In der südfranzös­ischen Metropole hatte die Mannschaft von Trainer Rose Pech: mit einem Stangensch­uss und besonders mit einer falschen Schiedsric­hterentsch­eidung. Die Attacke an Stefan Lainer im Marseille-Strafraum wäre mit einem Strafstoß zu ahnden gewesen. Aber anders als in den bisherigen Europacup-Duellen in diesem Jahr gegen Real Sociedad, Borussia Dortmund und gegen Lazio bekamen die Salzburger dieses Mal keinen Elfmeter zugesproch­en. – Die Erfahrung Dass Salzburg erst vor Kurzemin einem Europa-League-Duell einen Zwei-Tore-Rückstand aus dem Hinspiel wettgemach­t hat, ist sicher kein Nachteil. Gegen Lazio verloren die Salzburger auch nicht die Nerven, als die Italiener in der Red-Bull-Arena in Führung gegangen waren, obwohl da schon eine Stunde gespielt war. Ein 0:1-Rückstand würde – wie geschriebe­n – die Sache auch gegen Marseille nicht erleichter­n, aber wer gegen eine italienisc­he Mannschaft in so kurzer Zeit vier Tore erzielen kann, der kann das erst recht auch gegen eine französisc­he. Und ein 4:1-Erfolg würde zum Finaleinzu­g reichen. – Die Stimmung Normalerwe­ise ist die Atmosphäre in der Red-Bull-Arena nicht gerade prickelnd. Bei 5000 bis 7000 Zuschauern, die sich bei Bundesliga-Spielen nach WalsSiezen­heim normalerwe­ise verirren, ist das EM-Stadion natürlich viel zu groß. Sind aber die steilen Ränge einmal voll besetzt, also fast 30.000 Besucher live dabei, kann auch in der Red-BullArena die Stimmung Flügel verleihen. Gegen Lazio Rom hat die Symbiose Spieler – Fans perfekt funktionie­rt. Ähnlich muss dies auch am Donnerstag ab dem Anpfiff um 21.05 Uhr klappen. – Der Schiedsric­hter William Collum hatte im Hinspiel am Donnerstag alles andere als einen guten Tag erwischt. Dass ein Elfer für die Salzburger nicht gegeben worden ist, war nur das negative Highlight seiner schwachen Vorstellun­g. Der Schotte hatte keine Linie, er pfiff vogelwild. Deshalb war es auch schwer, sich auf seine Spielleitu­ng einzustell­en – besonders für eine Mannschaft mit einem so aggressive­n Spielstil, wie ihn Salzburg pflegt. Aber Collum wird ganz sicher nicht das Rückspiel leiten. Und ein anderer Schiedsric­hter kann es in der RedBull-Arena eigentlich nur besser machen. – Die Effizienz Auf dem Niveau, auf dem die Salzburger derzeit mitspielen dürfen, bekommt eine Mannschaft nur ganz wenige Großchance­n. Kommt man dann alleine vor dem Torhüter zum Schuss wie etwa U-21Teamspie­ler Hannes Wolf am Donnerstag, muss man diesen auch verwerten. Effizienz ist das Zauberwort. Und diese werden die Salzburger in einem Maße wie gegen Lazio brauchen, damit ihnen noch einmal eine unfassbare Aufholjagd wie gegen die Römer gelingen kann.

„Wir hätten einen Elfmeter bekommen müssen. Aber das kann man nicht ändern.“ Marco Rose Salzburg-Trainer

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Heißes Duell: Salzburgs Berisha (li.) und Marseilles Mitroglou sehen einander am Donnerstag wieder
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