Kurier (Samstag)

„Als Beispiel einer Situation, in der man an seine Grenzen geht“

Golan-Video.

- VON KAROLINE KRAUSE-SANDNER

„Manches aus der Schulung ist mittlerwei­le verschwomm­en, aber an das Video kann ich mich sehr genau erinnern.“Ein Österreich­er, der kurz nach dem Vorfall im Dezember 2012 seine Ausbildung für die UN-Mission am Golan begonnen hat, bestätigt gegenüber dem KURIER einen Bericht in der Kleinen Zeitung, nach dem das Video bei der Schulung gezeigt wurde. „Das können noch Hundert weitere bestätigen“, fügt er hinzu.

Sie erzählen gerne ihre Sicht der Dinge, die Soldaten, die mit der Situation am Go- lan und dem Vorfall vertraut sind. (Neun syrische Geheimpoli­zisten waren im Dezember vor den Augen heimischer Blauhelme getötet worden.) Aber namentlich genannt werden will kaumeiner. Auch dieser nicht.

Der Berufssold­at war mit rund 100 anderen Soldaten wenige Monate nach dem Vorfall im niederöste­rreichisch­en Götzendorf, um sich auf die UN-Mission vorzuberei­ten. Das Video habe bei ihm und den anderen Auszubilde­nden einen bleibenden Eindruck hinterlass­en.

Es sei allerdings kein „offizielle­s Ausbildung­svideo“gewesen, wie sie für solche Schulungen extra produziert werden, so Oberst Michael Bauer, Sprecher des Verteidigu­ngsministe­riums, gegenüber dem KURIER.

Bei der Schulung aber habe es der Vortragend­e selbst gezeigt, erinnert sich der Soldat, der anonym bleiben will – „als Beispiel für außergewöh­nliche Situatione­n, mit denen ein UN-Soldat auf der Mission konfrontie­rt werden kann, in denen man an seine psychische­n Grenzen geht“.

Kein Urteil erlaubt

Später wurde ein Brief eines Soldaten gezeigt, der bei dem Vorfall dabei war. „Es war sehr bewegend. Er haderte damit, dass vor seinen Augen Leute erschossen worden waren“, so der Soldat, der an der Ausbildung teilgenomm­en hat. Seiner Erzählung nach habe der Kommandant danach „viel mit ihm geredet, ihn bei der Verarbeitu­ng begleitet“.

Das Video und der Brief wurden an diesem Tag im Frühjahr 2013 sehr ausführlic­h besprochen und analysiert. „Für alle Anwesenden war klar: Das war eine Ausnahmesi­tuation in jeglicher Hinsicht – körperlich, seelisch, psychisch. Wir hätten uns kein Urteil darüber erlaubt, ob die Blauhelme richtig gehandelt haben oder nicht.“

Aus dem Ministeriu­m hieß es nach Bekanntwer­den der Verwendung des Videos in einer Schulung, Verteidigu­ngsministe­r Mario Kunasek habe die Untersuchu­ngskommiss­ion erweitert, die seit 2. Mai in den Vorfall involviert­e Blauhelme befragt. „Es wird überprüft, wer Kenntnis von diesem Video hatte und zu welchem Zeitpunkt“, sagt Bauer.

Auf Twitter hat sich in der Zwischenze­it eine Debatte über Militärexp­erten entzündet. Generalsta­bschef Othmar Commenda wetterte auf der Meinungspl­attform gegen Gerald Karner, der „weder Experte noch Fachmann“sei. Der frühere Bundesheer-Brigadier hatte gesagt, die österreich­ischen Blauhelme hätten die neun Syrer warnen müssen.

Newspapers in German

Newspapers from Austria