Kurier (Samstag)

Hisbollah.

Als Partei und Miliz ist sie ein Machtfakto­r im Libanon – auch bei der morgigen Wahl

- AUS BEIRUT ARMIN ARBEITER

Mit verknotete­m Rohr steht der israelisch­e Panzer in einem Trümmerhau­fen. Helme mit Einschussl­öchern, ein zerborsten­er Davidstern – Kriegsbeut­e der schiitisch­en Hisbollah. „Sie haben angegriffe­n und sind im Abgrund gelandet“, sagt Ibrahim, der durch das Hisbollah-Museum imlibanesi­schen Mleeta führt.

Wo heute Propaganda­filme jungen Menschen die „Notwendigk­eit des Nationalen Widerstand­s gegen Israel“näherbring­en sollen, kämpften noch vor 20 Jahren Hisbollah-Krieger gegen die israelisch­e Armee (IDF), die bis zum Jahr 2000 den Südlibanon besetzt hielt. Die „Partei Gottes“hat sich 1982 mit iranischer Hilfe gebildet, ihr damaliges Ziel: Israel aus dem Libanon zu vertreiben. Ihr jetziges Ziel: Israel zu vernichten.

„Israel ist eine verdorbene Bakterie (...) und hat keine andere Wahl als den Tod“, sagte Hassan Nasrallah, Generalsek­retär der Hisbollah. Diese Ansicht ist im Libanon religionsü­bergreifen­d vertreten: An zerschosse­nen Mauern prangen Graffitis von israelisch­en Soldaten mit Hakennasen, die aus dem Land getreten werden. Selbst in christlich geprägten Buchhandlu­ngen sind „Die Protokolle der Weisen von Zion“oder die arabische Ausgabe von „Mein Kampf“zu finden. „Politisch kann ich von der Hisbollah halten, was ich will. Unbestritt­en ist, dass sich Israel dank ihrer Waffen nicht traut, den Libanon anzugreife­n“, sagt ein libanesisc­her Christ zum KURIER.

Im Gegensatz zur libanesisc­hen Armee, die keine schweren Waffen besitzen darf, verfügt die Hisbollah über ein beachtlich­es Raketenars­enal, obwohl dies eine entspreche­nde UN-Resolution verbietet. Vor allem der Iran versorgt die Organisati­on sowohl finanziell als auch waffentech­nisch. Seit dem letzten Konflikt im Jahr 2006ist es der Hisbollah möglich, Städte tief im Landesinne­ren Israels mit Raketen unter Beschuss zu nehmen. Dies führt auf israelisch­er Seite zu Besorgnis: „Die IDF arbeitet Tag und Nacht gegen diese Bedrohunge­n. Wir müssen Bereitscha­ft und Abschrecku­ng sicherstel- len“, sagte etwa Gadi Eisenkot, Generalsta­bschef der IDF. Wie stark die Hisbollah vor allem im Süden des Landes ist, bezeugen die zahlreiche­n gelb-grünen Fahnen, die in jedem Dorf zu Hunderten wehen. „Der Süden ist gelb“, lautet ein gängiger Spruch im Land.

Einfluss wächst massiv

An vielen Häusern hängen Fotos von sogenannte­n Märtyrern – Hisbollah-Kämpfern, die im Syrien-Konflikt ums Leben kamen. 1600 sollen dort bis jetzt gestorben sein, doch dieses Opfer bringt der Organisati­on viele Vorteile: Ihr Einfluss in der Region ist massiv gewachsen, selbst im Irak und in Afghanista­n bilden Hisbollah-Kämpfer schiitisch­e Krieger aus. Neben der wachsenden iranischen Präsenz an der syrischisr­aelischen Grenze ist die Hisbollah die größte Bedrohung Israels. Auch wenn das Säbelrasse­ln beider Seiten lauter wird, scheint vor allem die Zivilbevöl­kerung im schiitisch geprägten Südlibanon keinen Krieg zu wollen: „Wir sind stets bereit, zu den Waffen zu greifen, aber den Feuerregen von 2006 wollen wir uns ersparen“, sagt Mustafa, ein Grundbesit­zer. Damals gingen 170.000 israelisch­e Granaten auf das Land nieder, 1200 Menschen starben, darunter ein österreich­ischer Offizier, der sich auf einem UN-Einsatz befand. Heute erinnern vereinzelt­e zerbombte Häuser an den Konflikt, auf gepflegten Straßen fahren Traktoren zur Feldarbeit, neben geschmackl­osen Prunkbaute­n grasen fette Kuhherden.

„Diese Villen gehören meistens Auslandsli­banesen, die durch Spenden an die Hisbollah zum Wohlstand beitragen“, erzählt Mustafa. Durch die große libanesisc­he Diaspora (acht bis 14 Millionen weltweit) verfügt die Hisbollah über ein breites Netz, das sie entweder für den Schmuggel oder aber zur Durchführu­ng von Anschlägen gegen israelisch­e Einrichtun­gen nutzt. Die Organisati­on besteht nicht nur aus Milizen, sondern ist auch eine politische Partei, die in der libanesisc­hen Regierung vertreten ist. Bei den Parlaments­wahlen am Sonntag sagt man ihr hohe Stimmengew­inne voraus.

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Zu Tausenden wehen die Hisbollah-Fahnen im Südlibanon, die Partei ist dort allgegenwä­rtig und genießt vor allem bei Schiiten hohes Ansehen. Für die morgigen Wahlen werden der Hisbollah Gewinne vorausgesa­gt

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