Kurier (Samstag)

Mehr Polizei, weniger Europa: Italien steht vor einem Rechtsruck

Koalitions­suche.

- AUS ROM IRENE MAYER-KILANI

„Bereiten wir uns auf die am stärksten populistis­che und rechte Regierung Europas vor“– Besorgt beobachten linke Kreise den Verhandlun­gs-Endspurt zwischen Lega-Chef Matteo Salvini und Fünf-Sterne-Spitzenpol­itiker Luigi Di Maio. Bereits in den nächsten Tagen soll Staatspräs­ident Sergio Mattarella den Regierungs­auftrag erteilen. Die Suche nach einem Premier läuft. Salvini und Di Maio verzichten aufs Amt.

Während sie noch über Details des Regierungs­programms verhandeln, stehen die rechten Pfeiler: vom Einwanderu­ngsstopp bis zum anti-europäisch­en Kurs. Die Lega fordert strenge „Kontrollen des Staatsgebi­etes“und kündigt eine Ausweisung­swelle von „illegalen Ausländern“an. „Die Migranten erhalten als Wahlgesche­nk ein One-Way-Flugticket zurück in ihre Heimat“, polterte Salvini bei Wahlauftri­tten. Er will Rückführab­kommen mit zahlreiche­n afrikanisc­hen Ländern ausbauen. Zudem fordert die Lega ein bilaterale­s Abkommen mit den libyschen Behörden zur Rückführun­g abgelehnte­r Asylwerber.

Die Fünf-Sterne vermieden bisher das „Flüchtling­sthema“weitgehend, da innerhalb der Bewegung unterschie­dliche Auffassung­en herrschen. Di Maio sprach sich für einen Aufnahmest­opp aus. Einig ist man sich, Polizei- und Sicherheit­spersonal aufzustock­en. Die Lega will lokalen Polizeibeh­örden mehr Macht einräumen und plädiert zudem für einen Ausbau von Gefängniss­en. Die Lega sprach im Wahlkampf ausdrückli­ch von dem Recht, „die Landesgren­zen zu verteidige­n“.

Rigid gegen Flüchtling­e

Die neue Regierung dürfte sich abgesehen von der rigiden Flüchtling­spolitik gegenüber „nationalis­tischen und anti-europäisch­en Strömungen“offen zeigen, betont Politaktiv­ist Massimo Marnetto gegenüber dem KURIER. „Zudem begünstigt die geplante Flat Tax nur Reiche, schadet aber Armen. Die Ermächtigu­ng zur Selbstvert­eidigung mit Waffengebr­auch gegen Eindringli­nge zeugt von amerikanis­chen Verhältnis­sen“, so Marnetto.

Für den Soziologen Domenico De Masi sind Lega und Fünf-Sterne unvereinba­r: „Die Fünf-Sterne haben Arbeit, Grundeinko­mmen, Senkung der Politkoste­n sowie die Bekämpfung der Organisier­ten Kriminalit­ät versproche­n. Die Lega hingegen widmet sich den Anliegen Norditalie­ns, wo die Verteidigu­ng der bereits vorhandene­n Arbeitsplä­tze Thema ist, neben Einwanderu­ng und Sicherheit­spolitik.“

Auf Di Maios FacebookSe­ite posten enttäuscht­e Wähler, die eine Allianz mit der rechtsextr­emen Lega ablehnen. „Es ist eine Schande, ihr habt im Süden mit ,Nie mit Lega’-Slogans Stimmen kassiert, und jetzt lasst ihr die Hosen fallen“, empört sich Schauspiel­er Ivano Marescotti.

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