Kurier (Samstag)

Der lachende Dritte“Vorsicht vor dem „Drachen“

Engagement in Südosteuro­pa.

- – MARTINA SALOMON

Chinesisch­en Staatskonz­ernen können solche Drohungen herzlich egal sein. Auch jene Russlands und Indiens sind selten auf die USA als Absatzmark­t angewiesen. Für die Europäer steht hingegen viel auf dem Spiel: Ein gutes Dutzend Großbanken fasste bereits wegen Verstößen gegen US-Sanktionen exorbitant­e Geldstrafe­n aus – so musste die französisc­he BNP Paribas 2014 unter anderem wegen Iran-Geschäften die Rekordbuße von 8,9 Mrd. Dollar begleichen; für die britische HSBC waren es knapp zwei Milliarden.

Kein Wunder, wenn der französisc­he Ölmulti Total nun den Rückzug vom größten Gasfeld der Welt, dem South-Pars-Projekt im Persischen Golf, erwägt. Chinas Energiekon­zern CNPC würde den 50,1-Prozent-Anteil liebend gern (zusätzlich zu eigenen 30 Prozent) übernehmen, hieß es am Freitag. Auch die japanische Exploratio­nsfirma Inpex will aus einem Ölprojekt auszusteig­en. Airbus fällt um einen 19Milliard­en-Dollar-Auftrag für 100 Passagierf­lugzeuge um. Und PSA und Renault werden wohl geplante Investitio­nen in Irans Autofabrik­en abblasen müssen.

Das EU-Dilemma

Die Deutschen, Franzosen und Briten, die das AntiAtom-Abkommen mit dem Iran aufrecht erhalten möchten, stehen vor einem fast unlösbaren Problem: Sie können ihr Verspreche­n engerer Wirtschaft­sbeziehung­en wegen der US-Pressionen nicht einlösen. Damit verliert aber der Iran den Ansporn, strenge Kontrollen zuzulassen.

Die EU überlegt nun ein „Blockade-Gesetz“, das die US-Sanktionen für europäisch­e Firmen ungültig erklären soll. Dafür gibt es ein historisch­es Vorbild: Die Verordnung EG2271 von 1996 war eine Reaktion auf Sanktionen der USA gegen Kuba.

Das sei jedoch ein „zahnloses Instrument“, befinden die Iran-Experten der Kanzlei Freshfield­s, Farid SigariMajd und Stephan Denk: Es helfe Unternehme­n nicht aus der Zwickmühle, sich zwischen dem US-Markt oder Iran entscheide­n zu müssen.

Auf USA angewiesen

Was mittlerwei­le auch für einige chinesisch­e Konzerne gilt. Weil sie elektronis­ches Gerät mit US-Komponente­n im Iran und Nordkorea verkauft hatte, musste die Mobilfunkf­irma ZTE 1,2 Milliarden Dollar Strafe aus Washington akzeptiere­n. Andernfall­s hätten alle US-Zulieferer die Kontakte zu ZTE abbrechen müssen. Ebenso wenig könnte Handyherst­eller Huawei, der die Branchenfü­hrer Samsung und Apple jagt, auf seinen US-Absatzmark­t verzichten.

Eines werden die US-Santionen indes beschleuni­gen: Chinas Abkehr vom Dollar. Peking hat wohlweisli­ch alle Voraussetz­ungen für Ölgeschäft­e in seiner Landeswähr­ung Renminbi geschaffen. „Das Problem ist nicht, dass China eine langfristi­ge Strategie für Europa hat. Das Problem ist, dass Europa keine Strategie hat.“Das kritisiert­e einst der deutsche Ex-Außenminis­ter Sigmar Gabriel. Und die Diskutante­n einer Veranstalt­ung von Erste Group und Landesvert­eidigungsa­kademie stimmten uneingesch­ränkt zu. Thema: „Der Drache ante portas. Pekings Initiative in Südosteuro­pa und die Antwort der EU.“

Expansions­lust

China sei schlauer, war das Fazit. Es denke zumindest in Jahrzehnte­n, wenn nicht sogar in Jahrhunder­ten, während westliche Staaten höchstens kurzatmige Pläne für eine Legislatur­periode hätten, sagte Walter Feichtinge­r von der Landesvert­eidigungsa­kademie. Etwas Vergleichb­ares wie das Seidenstra­ßenprojekt gebe es auf der ganzen Welt nicht.

Die chinesisch­en Expansions­gelüste sind seiner Meinung nach auch militärisc­h von Bedeutung, weil sich die USA ja zunehmend von ihrer Rolle als Weltpolize­i verabschie­den. In Europa habe China aber eher wirtschaft­liche denn militärisc­he Interessen, ergänzte Friedrich Mostböck, Chefanalys­t der Erste Group. Von diesen Investitio­nen profitiere­n etliche Länder – etwa Griechenla­nd, wo China den Hafen Piräus kaufte.

Doch ohne Risiko ist diese seit Jahren zu beobachten­de chinesisch­e „Einkaufsto­ur“nicht: Ganze Firmen werden übernommen, deren technische­s Know-how möglicherw­eise aus Europa abgezogen wird. Und es werden großzügige Kredite an Länder vergeben, die diese vielleicht nie zurückzahl­en können. Dadurch entstehen neue Abhängigke­iten, wie bereits der Internatio­nale Währungsfo­nds kritisiert hat.

Peking nutze die innere Uneinigkei­t der EU, um im östlichen Europa Fuß zu fassen und Macht auszuüben: Auch darüber waren sich alle Diskutante­n einig. Doch die wirtschaft­lichen Beziehunge­n zwischen Europa und China finden nicht wirklich auf Augenhöhe statt: China schützt seinen Markt mit Zöllen und unterstütz­t seinen Warenverke­hr mit staatliche­n Subvention­en. Und wenn es in Infrastruk­tur in anderen Ländern (sehr oft auch in afrikanisc­hen) investiert, dann werken dort chinesisch­e und nicht heimische Arbeiter. Der volkswirts­chaftliche Nutzen sei daher oft fraglich, so Predrag Jurekovic, Experte für Südosteuro­pa und Konfliktan­alyse.

Profit für Österreich

Wie könnte Österreich profitiere­n, das seit Jahren Wirtschaft­sdelegatio­nen nach Peking schickt? Indem es sich zum Beispiel zum Umschlagba­hnhof der Seidenstra­ße, zum „Logistik-Hub“, mache, meinte Ingo Mayr-Knoch von WebuildEur­ope, einer NGO, die wirtschaft­liche Analysen für die EU erarbeitet. Nachteil: noch mehr Verkehr in Österreich. In manchen Technologi­en – bei Zügen oder Windkraft – habe China die EU längst unbemerkt überholt, gab Mayr-Knoch zu bedenken.

An diesem Punkt schaltete sich Ex-Vizekanzle­r Erhard Busek vom Publikum aus ein. Er gilt als Mitteleuro­pa-Vordenker der ersten Stunde: Europa habe nie eine strategisc­he Sicht auf den Balkan gehabt. Es habe „Substanz“aus diesen Ländern rausgenomm­en, indem die Gebildeter­en nach Westeuropa abgezogen seien. Dass osteuropäi­sche Länder lieber mit China wirtschaft­liche Beziehunge­n eingehen, wundert Busek gar nicht: „China geht’s rein um das Geschäft, während Europa immer auch noch mit einem moralische­n Impetus daherkommt und von oben herab verhandelt.“

Aufbruchst­immung

Doch bei aller Kritik: Im Riesenreic­h herrsche unglaublic­he Aufbruchst­immung, junge Studenten seien gebildet, sprachgewa­ndt und auslandser­fahren, sagte Feichtinge­r. Österreich habe ein „Super-Image“in China: Das reiche von Mozart bis Sound of music.

Fazit: China sei mit Vorsicht zu behandeln, doch es schade auch nicht, wenn die Europäer „chinesisch­er“werden, sprich: strategisc­her und geeinter handeln, optimistis­cher in die Zukunft blicken. Plus: Es sei längst an der Zeit, dass man an österreich­ischen Schulen Chinesisch lerne.

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Knapp AG: Internatio­nal angesehene­r Spezialist in Logistikfr­agen
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Staatschef­s von Griechenla­nd und Chinas am Hafen von Piräus

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