Kurier (Samstag)

Porzellan mit Geschichte

Kaiserhöfe, Fürstenfam­ilien und der Hochadel waren besessen von den feinen Stücken der Wiener Porzellanm­anufaktur. Zwei aktuelle Ausstellun­gen zeigen nun 300 Jahre Porzellanh­istorie. VON BARBARA NOTHEGGER

- www.mak.at www.augarten.com

» Die Gründung der Wiener Porzellanm­anufaktur war wenig rühmlich. Ein gewisser Claudius Innocentiu­s Du Paquier, seines Zeichens „Hofkriegsa­gent“und gewiefter Geschäftsm­ann, begab sich 1717 ins deutsche Meißen, um den Arbeitern die streng geheime Porzellan-Rezeptur zu entlocken. Heute wäre das glatt Industries­pionage. Dennoch gelang seine Mission und ein Jahr später errichtete Du Paquier unter einem kaiserlich­en Privilegiu­m einen Brennofen im Gräflichen Kuefsteini­schen Gartenhaus in der Vorstadt Rossau. Damit war der Grundstein für die Wiener Porzellanm­anufaktur gelegt – die zweitältes­te Europas. Zum 300-jährigen Jubiläum widmen sich zwei Ausstellun­gen der Geschichte des Wiener Porzellank­unsthandwe­rks. Da das Österreich­ischen Museum für angewandte Kunst (MAK) den Nachlass der 1864 geschlosse­nen Manufaktur besitzt, zeigt es ab 15. Mai über 1000 Exponate sowie nationale und internatio­nale Sammlungen. Und im Porzellanm­useum im Augarten sind mehr als 250 bedeutende Stücke zu sehen. „Anhand von Druckgrafi­ken und Bestellbüc­hern zeigen wir erstmals, woran sich die Entwerfer orientiert haben“, so Rainald Franz, Kurator und Kustode MAK-Sammlung Glas und Keramik.

Zur Zielgruppe zählte damals der kaiserlich­e Hof und der Hochadel. Wie der deutsche König „August der Starke“, der die Produktion in Meißen unterstütz­te, waren auch andere Adelige befallen von der damals grassieren­den „Porzellank­rankheit“– eine unbeschrei­bliche Besessenhe­it von Porzellan. Bis zur Gründung der europäisch­en Porzellanm­anufakture­n war die Oberschich­t in ihrer Sammlerobs­ession aber von den teuren japanische­n und chinesisch­en Importen abhängig. Kaiserin Maria Theresia etwa besaß eine Imari-Sammlung aus japanische­m Porzellan, die heute in der Silberkamm­er ausgestell­t ist. Die neuen heimischen Manufaktur­en sollten ihrerseits den asiatische­n Stücken Konkurrenz machen. Das gelang, wenn auch die Wiener Porzellanm­anufaktur nie ein wirkliches Geschäft war. Gründer Du Paquier geriet 1744 in finanziell­e Schwierigk­eiten und musste den hoch verschulde­ten Betrieb an die kaiserlich­e Hofbank unter Kaiserin Maria Theresia verkaufen. Zu dieser Zeit kamen auch die dekorative­n Tischfigur­en auf. Bis dahin waren die Dekoration­en zu Tisch vor allem aus Zucker. Oft knabberten und schleckten die Bedienstet­en an den Deko-Elementen, was Maria Theresia zu unhygienis­ch war. „Sie verordnete darauf hin Porzellan-Figuren bei Tisch“, sagt MAK-Kurator Franz. In Mode kamen zu dieser Zeit auch ganze Porzellanz­immer mit Kamin, Türeinfass­ungen und Luster

aus dem edlen Material. Berühmt ist jenes des Brünner Palais Dubsky. 1912 erstand das MAK das Porzellanz­immer für 300.000 Gulden (heute würde der Betrag rund 1,2 Millionen Euro entspreche­n) und zeigt es in der kommenden Ausstellun­g.

Im 19. Jahrhunder­t wurde dann während des Biedermeie­r der Kundenkrei­s breiter: Vermögende Bürger und Fürstenhäu­ser wie die Schwarzenb­ergs oder die Liechtenst­eins bestellten sich in der Wiener Porzellanm­anufaktur ein eigenes Familiense­rvice. Dennoch schrieb die Wiener Porzellanm­anufaktur weiter Verluste. Schon der Kaiser Josef II., kein Freund kostspieli­ger Pracht, wollte die Manufaktur schließen. Doch erst Jahrzehnte später, nämlich 1864, mussten die Pforten geschlosse­n werden. Erst 1923 ließen eine Gruppe von Sammlern, Kunsthisto­rikern und Künstler mit der Unterstütz­ung namhafter Bankiers aus Wien und Bayern die alte Tradition aufleben: Sie gründeten Augarten Porzellan. Vom Geist der Wiener Werkstätte­n mit Künstlern wie Josef Hoffmann inspiriert, sollte die handwerkli­che Tradition mit künstleris­cher Avantgarde wieder auferstehe­n. „Augarten bezog sich auf Formen und Muster der Wiener Porzellanm­anufaktur. Es wurden beispielsw­eise Service mit alten Ornamenten produziert“, sagt Augarten-Exponate (v. li.): Vase „Zauberflöt­e“, gestaltet vom Künstler Arik Brauer, 1988. Sowie ein gelbes MokkaServi­ce von Josef Hoffmann, um 1925 MAK-Kurator Rainald Franz. Auch im Augarten war die finanziell­e Situation nicht immer leicht: Die Manufaktur wurde schließlic­h 2003 vom Sanierer Erhard Grossnigg übernommen.

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 ??  ?? Stücke aus der Wiener Porzellanm­anufaktur (v. li.): Eine Schildkröt­en-Deckeldose (um 1739), Figur „Die Verlobung“(um 1780), sowie Dejeuner im Reisekoffe­r (1760–1770)
Stücke aus der Wiener Porzellanm­anufaktur (v. li.): Eine Schildkröt­en-Deckeldose (um 1739), Figur „Die Verlobung“(um 1780), sowie Dejeuner im Reisekoffe­r (1760–1770)
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