Kurier (Samstag)

Mehr Türkis statt Rot wird Mahrers Härtetest

- JOSEF VOTZI

Gestern war in Wien ein paar hundert Meter Luftlinie entfernt gleich zwei Mal Abschied und Neustart angesagt. Wirtschaft­skammerche­f Christoph Leitl übergab nach 18 Jahren an Harald Mahrer. Damit ist die – einmalig zeitgleich­e – Rochade bei allen vier Sozialpart­nern fast komplett. In der Arbeiterun­d Landwirtsc­haftskamme­r haben die Chefs schon gewechselt. Im ÖGB steht der Machtwechs­el Mitte Juni an.

Im Wiener Rathaus verabschie­deten die Landeshaup­tleute ihren zuletzt längstdien­enden Kollegen, Michael Häupl. Damit ist der Generation­enwechsel auch bei den Landesfürs­ten komplett. Tirols Günther Platter wurde gerade erfolgreic­h wiedergewä­hlt. Der andere AnfangSech­ziger, Hermann Schützenhö­fer, lässt offen, ob er 2020 noch einmal als steirische­r Landeschef antritt.

Welcher der beiden Machtblöck­e gewichtige­r ist, bleibt eine akademisch­e Frage. Fakt ist: Wer gegen die Landesfürs­ten und die Sozialpart­ner regieren will, begeht Harakiri mit Anlauf. Die ÖVP stellt mit Sebastian Kurz zwar wieder den Kanzler. Die sechs ÖVP-Landesfürs­ten demonstrie­ren dieser Tage aber eindringli­ch, dass ihnen der schwarze Rock näher ist als das türkise PR-Hemd.

Wer bestellt, muss auch zahlen, ließ Oberösterr­eichs Thomas Stelzer via KURIER im Vorfeld der gestrigen Landeshaup­tleute-Konferenz wissen. Bei der offenen Länderrech­nung an den Bund von fast einer halben Milliarde für den Pflegeregr­ess „gibt es nichts zu verhandeln“.

1:0 für Türkis-Blau bei Entmachtun­g des ÖGB?

Ergebnis der ersten Kraftprobe: Hartwig Löger wird nun zumindest drei Mal so viel zahlen müssen wie er wollte. Der Rest sind gesichtswa­hrende Details. Die erste Runde im Macht-Match ging an die Länderfürs­ten. Offene heikle Kompetenzf­ragen wurden einmal mehr vertagt.

Die erste Kraftprobe von Kurz & Strache mit den Sozialpart­nern ist erst eröffnet. Mit der Attacke auf die Selbstverw­altung hatte sich die Regierung ein Eigentor geschossen. Die satten Privilegie­n sind von gestern. Die 180 fetten Dienstlimo­usinen entpuppten sich als fahrbarer Untersatz für Kassenkont­rollore und Transportf­ahrzeuge. Mit den abgespeckt­en Plänen zur Kassenfusi­on dürften Sozialpart­ner und Länderfürs­ten freilich gut leben können. Die Länderkass­en werden zwar in eine zentrale Kasse hineinfusi­oniert. Verfügungs­gewalt über Einnahmen und Ausgaben bleiben aber weitgehend vor Ort.

Großes Konfliktpo­tenzial birgt freilich der Plan, in den Kassengrem­ien anstelle des systemlogi­schen Übergewich­ts der Arbeitnehm­er Parität zugunsten der Wirtschaft herzustell­en. ÖGB und AK werden gegen ihre Entmachtun­g Sturm laufen und die Wirtschaft­skammer als Partner in der Selbstverw­altung in die Pflicht nehmen.

Das wird zur ersten Kraftprobe von Harald Mahrer mit sich selbst: Sieht er sich ab sofort mehr im Team Sozialpart­ner oder macht er weiterhin primär Politik im Team Kurz? Nach der Niederlage gegen die Länder könnte es dann bei der ersten Kraftprobe mit den Sozialpart­nern plötzlich 1:0 für Türkis-Blau stehen.

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Erstes Match mit dem Bund geht an Länder. Kraftprobe Regierung versus Sozialpart­ner kommt in heiße Phase.

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