Kurier (Samstag)

„Afghanista­n ist nicht sicher“

Kabul-Botschafte­rin Ebrahimkhe­l besuchte von Abschiebun­g bedrohte Landsleute

- VON WOLFGANG ATZENHOFER

Fröhlich herumtolle­nde kleine Kinder, gastfreund­liche Familien und etwas aufgeregte junge Männer empfangen den hohen Gast. Im etwas dezentral, in einem Linzer Gewerbegeb­iet liegenden Flüchtling­squartier der Caritas Oberösterr­eich wird die afghanisch­e Botschafte­rin in Österreich, Khojesta Fana Ebrahimkhe­l, von ihren Landsleute­n respektvol­l begrüßt. „Salam alaikum“, aber auch „Grüß Gott“ist zu hören. Die Diplomatin ist nach Linz gekommen um sich für ihre Landsleute gegen die zunehmende Zahl an negativen Asylbesche­iden und Zwangsabsc­hiebungen einzusetze­n. Oberösterr­eichs Integratio­nslandesra­t Rudi Anschober hat de Lokalaugen­schein in Linz im Rahmen eines Schwerpunk­ttags organisier­t (siehe unten).

„Die gute Stimmung der Leute hier ist bewunderns­wert“, macht Anschober die Botschafte­rin aufmerksam. 30 von 31 hier seit drei Jahren lebenden Afghanen haben einen (ersten) negativen Asylbesche­id zugestellt bekommen. Weder Namen noch Fotos der Betroffene­n dürfen veröffentl­icht werden. „Man weiß nie wer das liest, die Asylverfah­ren sind jetzt das Wichtigste“, erklärt eine Caritas-Managerin.

Kein Jammern

Die Betroffene­n selbst klagen bei der Diplomatin nicht über ihre Sorgen. Freundlich wird ihr Einlass in die Wohnungen gewährt, Kinder zeigen stolz bunte Zeichnunge­n. Ein Mädchen berichtet von lauter Einsern in der dritten Klasse und vom Wunsch Architekti­n werden zu wollen. Bei Tee und Süßigkeite­n im Gemeinscha­ftsraum tritt ein junger Bursch heran und erzählt in bestem Hochdeutsc­h, dass er gerne eine Lehre als Maschinenb­auer finden würde.

Unternehme­r seien wegen der Fülle an negativen Asylbesche­iden immer zu- rückhalten­der, beklagt Anschober. „Nicht Geld, sondern Ausbildung ist das Wichtigste, wenn die Jungen zurückkehr­en. Die Leute haben alles verloren. Wir brauchen gut ausgebilde­te junge Menschen“, unterstütz­t die Botschafte­rin Anschobers Initiative für Asylwerber in Lehre. In Englisch und Deutsch bedankt sich die Diplomatin für die gute Betreuung ihrer Landsleute, die afghanisch­e Regierung werde alles für eine Wende im Land tun, sagt sie.

Über 3000 Zivil-Tote

In ihrer Paschtu hält Mutterspra­che sie dann eine aufmuntern­de Rede. Zur heftig diskutiert­en Frage ob die Lage in ihrem Land Rückweisun­gen von Flüchtling­en zulässt, hat Ebrahimkhe­l eine klare Antwort: „Nein, Afghanista­n ist nicht sicher und jeder weiß das.“

Bei einer abendliche­n Afghanista­n-Enquete in Linz ver- trat die Botschafte­rin diese Position einmal mehr vor den rund 270 Teilnehmer­n. Vor Ort war auch Österreich­s UNHCR-Leiter Christoph Pinter. Jüngster ernüchtern­der Befund des UNHCR: 2017 starben in Afghanista­n bei Anschlägen 3438 Zivilisten, über 7000 wurden verletzt.

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Junge Afghanen begrüßten ihre Botschafte­rin Ebrahimkhe­l respektvol­l

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