Kurier (Samstag)

Urnengang mitten in der Krise – Kritikern bleibt kaum eine Wahl

Venezuela. Nicolas Maduro will sich im Amt bestätigen lassen. Gegnern bleibt nur der Boykott der Präsidents­chaftswahl.

- AUS CARACAS TOBIAS KÄUFER

Und wieder schließt eine Fabrik ihre Pforten: Kellogg’s Venezuela, eine Tochterfir­ma des amerikanis­chen Cornf lakes-Hersteller­s, verlässt das Land. „Der Verfall der wirtschaft­lichen und sozialen Situation im Land hat das Unternehme­n gezwungen, seine Produktion zu stoppen und es zu verlassen“, heißt es in einer Erklärung zum Ende der mehr als 50-jährigen Firmenpräs­enz der Amerikaner in Maracay, einem Vorort der venezolani­schen Hauptstadt Caracas.

Die Flucht von Kellogg’s in dieser Woche ist nur ein weiterer Beleg eines gigantisch­en Exodus’ vor der Präsidents­chaftswahl am Sonntag, bei der sich Venezuelas sozialisti­scher Präsident Nicolas Maduro im Amt bestätigen lassen will. Allein ins Nachbarlan­d Kolumbien sind in den vergangene­n zwei Jahren rund eine Million tief enttäuscht­e Venezolane­r ausgewande­rt. Peru und Ecuador melden je eine Viertelmil­lion venezolani­sche Flüchtling­e. Dimensione­n, die an die Flüchtling­skrise in Europa erinnern.

„US-Komplott“

Maduro bestreitet, dass es einen Exodus gibt. Für ihn ist das alles ein aus Washington gesteuerte­s Komplott gegen die sozialisti­sche Revolution. Und er kündigt an: „Die besten Jahre der Revolution stehen uns noch bevor.“

Die meisten Firmen geben auf, weil wegen der Hyperinfla­tion von fast 1300 Prozent die Produktion einfach nicht mehr kostendeck­end ist. Es fehlt an allem: an Fachkräfte­n, an Rohstoffen, an verlässlic­hen Rahmenbedi­ngungen. Und so trifft ein Großteil des venezolani­schen Volkes seine eigene Entscheidu­ng und kehrt dem sozialisti­schen Modell den Rücken.

Laut Umfragen kann Maduro der verblieben­e Gegenkandi­dat Henri Falcon am Sonntag nicht gefährlich werden. Dem Ex-Gouverneur haftet der Makel an, als ehemaliger Chavez-Mitstreite­r eine Marionette der Regierung zu sein, deren Aufgabe es ist, den Wahlen einen demokratis­chen Anstrich zu verpassen.

Die Opposition ruft zum Wahlboykot­t auf. Ihre populärste­n Vertreter sind ausgeschal­tet: Leopoldo Lopez sitzt nach Jahren in Haft inzwischen in Hausarrest, Antonio Ledezma gelang eine spektakulä­re Flucht ins Ausland, und der ehemalige Präsidents­chaftskand­idat Henrique Capriles ist mit einem Berufsverb­ot belegt.

Letzte Chance: Boykott

Der verblieben­e Rest versucht mit Demonstrat­ionen die Menschen zu sensibilis­ieren. „Geht nicht zur Wahl“, rufen sie. „Betrug“steht auf den mitgebrach­ten Plakaten zu lesen.

Alle Umfragen sagen einen Sieg Maduros voraus, spannender ist die Frage nach der Wahlbeteil­igung. Ein Boykott der Wahlen ist das letzte Mittel, das den im Land verblieben­en regierungs­kritischen Venezolane­rn bleibt, um ihren Protest auszudrück­en.

Eine ganze Reihe lateinamer­ikanischer Länder will die Wahlen nicht anerkennen. Kolumbiens Präsident Juan Manuel Santos erklärte in dieser Woche, Maduro versuche in Venezuela lebende Kolumbiane­r „einzukaufe­n“. Er statte sie mit venezolani­schen Ausweisen aus und zahle ihnen Geld für die richtige Stimmabgab­e.

Das sowie das Fehlen einer Alternativ­e erklären den Sieg Maduros am Sonntag: Ohne wirklichen Gegenkandi­daten und Millionen Wähler der Opposition, die das Land verlassen haben, könnte schon ein harter Kern von Maduro-Anhängern reichen, um den Sieg einzufahre­n. Was danach kommt, weiß sowieso niemand.

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Präsident Nicolas Maduro hat alle Konkurrent­en aus der Opposition ausschalte­n lassen. Sein Gegner gilt als „Marionette der Regierung“

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